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Todesfall: Die Tour trägt keine Trauer

Die Tour de France zeigt sich von ihrer Nachtseite. Und das ganz ohne Dopingdebatte. Die Sommerstimmung bei der Frankreich-Rundfahrt ist nicht nur durch den Kälteeinbruch im Elsass und den Alpen verflogen. Doch trotz des Todesfalls zieht der Zirkus schrill weiter.

Drei Schüsse aus einer Luftpistole auf das Peloton am Freitag und ein Motorradunfall mit Todesfolge während der 14. Etappe am Wochenende haben die Aspekte von Sport und Ruhm, aber auch die Kritik an den Methoden, mit denen Ersterer betrieben und Letzterer errungen wird, in den Hintergrund gerückt.

Bei Kilometer 38 der Etappe von Colmar nach Besancon war ein Motorradfahrer der Polizei mit Tempo 90 auf eine Frau geprallt, die aus bislang ungeklärten Gründen die Straße zwischen der Spitzengruppe und dem Hauptfeld überqueren wollte. Die 61-jährige Zuschauerin verstarb am Unfallort. Das Motorrad des Angehörigen der Garde Republiquaine rutschte in die am Straßenrand stehenden Fangruppen und verletzte zwei weitere Personen. Der Motorradpolizist ist nach Angaben des Chefs der Präsidentengarde, Eric Luzet, „ein sehr erfahrener Motorradfahrer.“ Insgesamt 35 Mitglieder der Garde Republiquaine sorgen als Motorradeskorte für den Schutz des Pelotons und der Werbekarawane.

Polizei, Gendarmerie und Präsidentengarde kondolierten bei den Hinterbliebenen. Gleiches taten die Organisatoren der Tour. Die 14. Etappe wurde trotz des tödlichen Zwischenfalls nicht unterbrochen. Hauptfeld und Materialwagen fuhren an der auf der Straße liegenden und von Rettungssanitätern umringten Frau vorbei. „Wir haben sie dort liegen sehen. Das Motorrad des Polizisten war nach rechts in ein Waldstück gerutscht und hatte eine Lücke in die Zuschauerreihen gerissen. Das sind Bilder, die man niemals sehen will“, sagte der sichtlich mitgenommene Sportdirektor von Columbia, Rolf Aldag.

Auch Oscar Freire, zuvor Opfer der Schüsse vom Straßenrand, sah die Frau am Boden liegen. „Das ist eine ganz andere Kategorie als der Schuss auf mich“, sagte der Spanier. Er hatte unter der Dusche eigenhändig die Kugel aus seinem Bein gepolkt. Rolf Aldag erklärte: „Radsport lebt von den Fans am Straßenrand. Wir wollen nicht solche Sicherheitsvorkehrungen wie beim Fußball, die zu einer größeren Distanz zwischen Sportlern und Fans führen.“

Merkwürdig stimmte aber, dass bis auf eine Schweigeminute vor der 15. Etappe und rigoros absperrenden Polizisten im Startbereich in Pontarlier keine Veränderungen zu beobachten waren. Keiner der Polizisten und Organisatoren trug einen Trauerflor. Die Werbekarawane machte sich schrill wie immer auf den Weg.

Die Tour de France ist wie ein bunt bemaltes Sägeblatt. Es rotiert um sich selbst und frisst sich durch das Land. Wenn die scharfen Kanten Schäden hinterlassen – die letzten Todesfälle datieren aus den Jahren 2000 und 2002 – wird die Maschine nicht etwa angehalten. Nach den durch die Werbekarawane verursachten Todesfällen wurde das Verteilen der meist wertlosen Artikel nur etwas gemäßigt. Ein Innehalten, länger als nur eine Schweigeminute lang, hätte diesem geplagten und umstrittenen, zerschundenen und doch unverwüstlichen Wettbewerb gut getan.

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