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Sport: Tödliche Schießerei

Dass Skirennfahrer Bode Miller ein komischer Kautz ist, wissen wir spätestens seit dem Interview, in dem er sich rühmte, wie schwierig es sei, volltrunken die Hügel hinunter zu rasen. Oder seit er sein schwaches Abschneiden bei den Olympischen Spielen in Turin kompensierte mit der Freude darüber, dass er zumindest zum „olympiareifen Feiern“ gekommen sei.

Dass Skirennfahrer Bode Miller ein komischer Kautz ist, wissen wir spätestens seit dem Interview, in dem er sich rühmte, wie schwierig es sei, volltrunken die Hügel hinunter zu rasen. Oder seit er sein schwaches Abschneiden bei den Olympischen Spielen in Turin kompensierte mit der Freude darüber, dass er zumindest zum „olympiareifen Feiern“ gekommen sei. Am Wochenende nun verkündete Miller seinen Austritt aus der US-Ski-Nationalmannschaft. Es habe unterschiedliche Auffassung über die Philosophie des Teams gegeben, Bodes Eskapaden hätten in dem entscheidenden Gespräch aber nie eine Rolle gespielt, lautet die offizielle Formel. Wer’s nach den elf Jahren einer turbulenten Beziehung wirklich glaubt, nun ja.

Miller kehrt nun vom Trainingscamp in Utah in seine Heimat nach New Hampshire zurück, wo ihn eine traurige Verpflichtung erwartet, die ein weiteres Schlaglicht auf seine bizarre Biografie wirft. Miller muss seinen Cousin Liko Kenney, 24, zu Grabe tragen. Der hatte bei einer Kontrolle einen Polizisten erschossen und war dann wiederum von einem Passanten niedergestreckt worden, der sich die Polizeipistole griff. Das alles spielte sich am Freitag in Franconia, New Hampshire ab, jenem abgelegenen Ort in den Bergen, in dem auch Miller aufwuchs – in einer Holzhütte ohne Wasser und Strom. Die Leute dort, schreibt die „New York Times“ mit einem Ton, wie ihn Stadtmenschen verwenden, wenn sie vom Landleben sprechen, seien „headstrong“. Dickköpfig, sagt das Lexikon aber in diesem Fall, ist es eine Umschreibung für einen Zustand der Gesetzlosigkeit, der sich in mehr amerikanischen Kommunen am Ende der Welt findet, als man gemeinhin annimmt.

Franconia gilt als Hippie-Gemeinde, in der die Familien-Clans ihre eigenen Gesetze machen und stolz darauf sind, die Obrigkeit zu missachten. Fast ein bisschen so wie einst David Henry Thoreau, der 1845 nur ein paar hundert Meilen von New Hampshire entfernt beschloss, dass er keine Steuern mehr bezahlen wollte – und daraus eine ganze Theorie strickte, die bis heute zu den Grundlagen der Civil Disobedience gehört, der Lehre vom zivilen Ungehorsam. Doch solche theoretische Verbrämung wird Miller nicht gelingen.

Millers Cousin verband eine lange Fehde mit dem Polizisten, für die er schon ins Gefängnis musste. Der Officer auf der anderen Seite war laut Gerichtsbeschluss gezwungen, einen Kollegen herbei zu rufen, wenn er mit Kenney zu tun hatte. Nichts davon geschah an jenem verhängnisvollen Freitag. Die meisten Details des Vorfalls sind weiterhin unklar, aber sicher ist, dass der Mann, der dann Kenney erschoss, keine Anklage zu fürchten hat. Er machte geltend, dass Millers Cousin sich weigerte, seine Waffe fallen zu lassen. Also drückte er ab. Es ist bisweilen schwer zu verstehen, wie weit diese Orte in den Tiefen des Kontinents entfernt sind von jenen Normen der Gesellschaft, wie sie die Allgemeinheit kennt. Das offizielle Motto des Bundesstaates New Hampshire lautet: „Live free or die“. Das meinen die offenbar wirklich so.

An dieser Stelle erklären die US-Korrespondenten und Sebastian Moll Phänomene aus dem nordamerikanischen Sport.

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