zum Hauptinhalt

Sport: Toeloop aus dem Schatten

Bei den deutschen Meisterschaften muss Peter Liebers seinen Ruf als größtes Eiskunstlauftalent bestätigen

Es war nur ein Schaulaufen, eine nette Unterhaltung vor Weihnachten. Es waren auch keine Wertungsrichter im Berliner Wellblechpalast, an diesem Dezembertag 2007. Aber Publikum war da, die Ränge waren voll. Das war entscheidend. Publikum bedeutet Stress, Publikum bedeutet Erfolgsdruck, einen anderen Druck als im Training. Deshalb ballte Peter Liebers die Faust, deshalb fühlte er sich „wie befreit“. Deshalb stieß Viola Striegler, seine Trainerin, an der Bande einen kurzen Freudenschrei aus. Peter Liebers, der 19 Jahre alte Eiskunstläufer des SC Berlin, hatte gerade einen vierfachen Toeloop gestanden, zum ersten Mal vor Publikum zumindest. Im Training hatte er das auch schon mal geschafft, aber Training ist etwas anderes.

„Vor Publikum, das war wichtig, das macht mir Mut“, sagt Liebers. Er muss den Vierfach-Toeloop jetzt ja auch im Wettkampf stehen, bei den deutschen Meisterschaften am Wochenende in Dresden. Er muss es, weil „ich Deutscher Meister werden will“. Liebers beherrscht schon den dreifachen Axel, aber den können andere auch. Aber dreifacher Axel und vierfacher Toeloop, das hat im Wettkampf bisher nur Stefan Lindemann gezeigt, der Deutsche Meister von 2007. Doch Lindemann fehlt verletzt, jetzt ist die große Chance des Peter Liebers gekommen.

Er kann zum ersten Mal Deutscher Meister werden, er kann zum ersten Mal aus dem Schatten von Lindemann treten. Der Gymnasiast ist das seinem Ruf einfach schuldig. Peter Liebers gilt seit Längerem als das größte deutsche Talent im Eiskunstlauf. Es hat außer den Experten bloß keiner groß mitbekommen. Bei den Deutschen Meisterschaften 2006 wurde er Fünfter, bei der Junioren-WM 2006 landete er auf Rang 13, bei der Deutschen Meisterschaft 2007 fehlte er verletzt. „Technisch“, sagt Viola Striegler, „ist er der beste Läufer in Dresden.“ Nur an Lindemanns Klasse kommt er im großen Wettkampf nicht heran. Aber der WM-Dritte von 2004 schaut jetzt ja nur zu.

Andererseits sollte man den Grad des Mutes, den Liebers in Dresden benötigt, nicht überschätzen. Im Schatten? Da sagt Liebers nett, freundlich und bestimmt: „Ich habe mich eigentlich nie im Schatten von ihm gesehen.“ Zu viel Demut darf man von Peter Liebers nicht erwarten. Dafür sehen sich Lindemann und Liebers einfach zu oft. Sie trainieren gemeinsam in Berlin, sie kennen ihre Stärken und ihre Schwächen. „Wir geben uns gegenseitig Tipps“, sagt Liebers. „Der Stefan“, ergänzt Viola Striegler, ihre gemeinsame Trainerin, „wird in der Gruppe nicht auf ein Podest gehoben, der wird behandelt wie jeder andere auch.“ Die Gruppe besteht unter anderem noch aus Peter Liebers’ Bruder Martin und Clemens Brummer. Sie alle kämpfen in Dresden um Platz eins.

Die größten Chancen, das sagt auch Striegler, hat Peter Liebers. „Dass er den vierfachen Toeloop gestanden hat, gab ihm einen Schub“, sagt sie. Vor allem aber hat er seine langen Verletzungsphasen, nach einem Wadenbeinbruch und zuletzt einer Bänderüberdehnung, gut weggesteckt. „So etwas kann einen psychisch leicht nach unten ziehen.“ Aber Liebers erlebt sie als „kleinen Draufgänger“. Der „hat den unbedingten Willen, etwas schnell zu lernen. Dieser Wille ist so groß, dass ihn so schnell nichts aus der Bahn wirft.“ Das Problem des Peter Liebers ist wohl eher eine gewisse Lässigkeit. „Der sagt sich, wenn ich einen schwierigen Sprung sicher stehe, ist es nicht mehr so schlimm, wenn bestimmte Schritte nicht klappen“, sagt die Trainerin.

„Na ja“, sagt Liebers, „bei der Präsenz auf dem Eis kann ich mich noch verbessern und bei den Schritten und Pirouetten.“ Aber die Sprünge sind seine Stärke. Dresden ist die große Chance, seine Sprünge auch international zu zeigen. Für Liebers geht es um ein Ticket bei der Europameisterschaft. Die Europameisterschaft soll sein Einstieg ins internationale Geschäft sein. Er denkt da langfristig. „Es geht vor allem um die Jahre zwischen 2010 und 2014“ – da will der 19-Jährige sich bei internationalen Wettbewerben etabliert haben.

Auf nationaler Ebene soll es erheblich früher klappen. Aber noch immer hat er gegen Lindemann die schmerzhafteste Niederlage erlitten. Bei einem Training haben sich die beiden mal gegenseitig hochgeschaukelt, ein Spaß eigentlich. Wer springt den besseren Dreifach-Axel und Dreifach-Toeloop? Antwort: Lindemann. Denn Liebers brach sich bei der Einlage das Wadenbein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false