zum Hauptinhalt

Sport: Toni "dreht das Ding", dankt dem Herrgott und hat alle ganz furchtbar lieb

Toni Polster ist ein Mensch von ausgesuchter Höflichkeit. Meistens jedenfalls.

Toni Polster ist ein Mensch von ausgesuchter Höflichkeit. Meistens jedenfalls. Am Ende seines zurückliegenden Arbeitstages zwängte er sich mit seiner Sporttasche durch die engen Gänge des Bökelbergstadions, entdeckte zwischen den Journalisten den Präsidenten des gegnerischen Vereins, einen distinguierten Herrn jenseits der 60, der früher als Manager beim Autokonzern Ford angestellt war, umarmte ihn, sah den Geschäftsführer, drückte auch ihn an sein Herz, ebenso wie anschließend den Sportmanager. Wenn die Schwiegermutter des Kölner Platzwarts da gewesen wäre, hätte Toni Polster sie wahrscheinlich auch noch in den Arm genommen.

Als aber ein Fernsehreporter um ein Interview bat, das zweite an diesem Abend, maulte Polster: "Das geht mir auf die Nüsse. Warum musst du alles zweimal sagen?"

Warum denn nicht? Es ist ja nicht die schlechteste Geschichte, die Toni Polster an diesem Abend zu erzählen hatte: gegen den 1. FC Köln, seinen alten Verein, zunächst nur auf der Ersatzbank platziert, beim Stand von 0:1 eingewechselt, mit der ersten Ballberührung den Ausgleich vorbereitet und kurz vor Schluss per Elfmeter das alles entscheidende 3:1 erzielt. "Ich danke Gott für dieses Spiel", hat Polster hernach in die Fernsehkamera gesprochen.

"Man hat gesehen, was der Toni wert ist", sagte Michael Frontzeck, der Gladbacher Kapitän. Derartige Anerkennung ist dem 35 Jahre alten Stürmer in Mönchengladbach nicht immer zuteil geworden. Es heißt, Polster sei bei den Kollegen nicht sonderlich beliebt, weil er es ganz gut verstehe, stets einen persönlichen Vorteil durchzusetzen. Der Kleinkrieg mit dem entlassenen Trainer Rainer Bonhof ist inzwischen Geschichte, doch auch unter Bonhofs Nachfolger Hans Meyer saß Polster in zwei von drei Spielen erst einmal auf der Ersatzbank.

"Toni hat das Ding gedreht", sagte Meyer, und weil sich das ein wenig ironisch anhörte, fügte er hinzu: "Er kann uns mächtig helfen." Vor allem in einem Heimspiel, "wo die Säge klemmt". So wie gegen den 1. FC Köln, von dem der ostdeutsche Fußball-Lehrer Meyer, der nach der Wende in der holländischen Ehrendivision für erfolgreiche Arbeit viel Anerkennung fand, stets ehrfurchtsvoll gesprochen und vor dem er "mächtigen Respekt" gehabt hatte.

Am Ende war es dann aber doch so wie fast immer, wenn Borussia Mönchengladbach und der 1. FC Köln gegeneinander spielen: Gladbach gewinnt. Gegen keine andere Mannschaft sind die Siege schöner, die Niederlagen schmerzlicher - das beruht auf Gegenseitigkeit. Doch so, wie sie einander nicht den Sieg gönnen, so lieben sie sich natürlich auch, zumindest ein bisschen, sonst könnte die jeweils andere Mannschat nicht der ganz spezielle Lieblingsfeind sein. "Wir allein sind die Könige vom Rhein", verkündeten die Gladbacher Fans in der Nordkurve per Spruchband. "FC - der wahre Mythos", stand auf der anderen Seite.

Das Stadion war voll wie zu besten Zeiten. Selbst aus Zürich war ein Journalist gekommen, um über das rheinische Derby zu berichten. Die Begegnung Gladbach gegen Köln erzählt vor allem von einer wunderbaren Vergangenheit, als die Protagonisten noch Netzer und Overath hießen, Kleff und Schumacher oder später Schuster und Matthäus, Effenberg und Littbarski. Heute heißen die Akteure Pletsch und Scherz, Hausweiler und Rösele. Jeder Fan hat sein ganz spezielles Trauma, das er mit dem jeweils anderen Verein verbindet: die Kölner das Pokal-Endspiel 1973, als Günter Netzer sich selbst einwechselte und dann den Siegtreffer erzielte; die Gladbacher das Saisonfinale 1978, als der FC Köln sie beim Kampf um die Meisterschaft um drei läppische Tore auf Distanz hielt.

Solche Reminiszenzen an die Vergangenheit müssen erlaubt sein, wenn die Gegenwart in der Zweiten Liga nur wenig Anlässe zum Träumen gibt. Hans Meyer, Gladbachs Trainer, hat in der vergangenen Woche das Saisonziel Wiederaufstieg offiziell für nichtig erklärt. Das bedeutet: ein weiteres Jahr in der Zweiten Liga. Ein schrecklicher Gedanke für jeden Borussenfan. Noch viel grässlicher ist für sie allerdings die Vorstellung, dass die Kölner im Sommer aufsteigen und im nächsten Jahr nicht mehr dabei sein könnten. Doch mit dem Erfolg keimt auch bei den Fohlen wieder Hoffnung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false