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Simon Geschke hatte als Helfer im Team Sunweb oft Grund zur Freude.

©  Lionel Bonaventure/AFP

Topsprinter, Allrounder und Wasserträger: Die Deutschen bei der Tour de France

Marcel Kittel, Emanuel Buchmann und Simon Geschke haben in diesem Jahr bei der Tour de France auf ihre eigene Art überzeugt. Drei Porträts.

16 deutsche Fahrer gingen vor drei Wochen in Düsseldorf an den Start zur 104. Tour de France - mit ganz unterschiedlichen Zielsetzungen. Für Marcel Kittel, André Greipel oder John Degenkolb ging es in erster Linie um Etappensiege bei Sprintankünften. Christian Knees’ Aufgabe bestand darin, Chris Froome zum vierten Gesamtsieg zu verhelfen. Er steht kurz vor seinem Ziel. Auch andere Helfer wie Simon Geschke oder Nikias Arndt werden vor allem am Mannschaftserfolg gemessen, und die Erwartungen beim deutschen Team Sunweb wurden in dieser Hinsicht sogar übertroffen. Emanuel Buchmann dürfte die Tour als bester Deutscher beenden, Tony Martin hofft im Zeitfahren am heutigen Samstag noch einmal auf einen Etappensieg. Wir stellen drei deutsche Fahrer vor, die die Frankreich-Rundfahrt besonders geprägt haben.

Marcel Kittel

„Marcello il Bello“ wurde er einst in Italien getauft. Auch als „Dolph Lundgren des Radsports“ ist er schon länger unterwegs. Bei der 104. Tour de France war Marcel Kittel mehr als zwei Wochen lang „Le Kaiser“. Locker und leicht sprintete der 29-jährige Thüringer zu fünf Etappensiegen, mit 14 Erfolgen bei der Frankreich-Rundfahrt ist er der erfolgreichste Deutsche in der Geschichte des Rennens. Inzwischen wird er dafür nicht mehr nur im Ausland gefeiert, auch in der Heimat lösen seine Erfolge wieder echte Begeisterung aus. Kittel wirkt authentisch, seine Aussagen in Sachen Doping haben schon in der Vergangenheit an Deutlichkeit nichts zu wünschen übriggelassen. Und so ist Kittel eines der sympathischen Gesichter des neuen Radsports. Sein Marktwert ist entsprechend hoch, der Vertrag bei Quick-Step-Floors läuft aus.

Kittel wird keine Schwierigkeiten haben, einen neuen Rennstall zu finden. Daran ändert auch seine schlimme letzte Woche bei der Tour nichts. Erst hatte er mit einer Erkältung zu kämpfen, dann stürzte er so schwer, dass er das Rennen nicht mehr fortsetzen konnte. Der Traum vom Grünen Trikot platzte. Es wäre der Lohn gewesen für seine Überlegenheit in den Massensprints, die fast ein bisschen an „Super Mario“ Cipollini erinnerte. Die Chance, die Tour de France im Trikot des besten Sprinters zu beenden, dürfte für Kittel aber wohl kaum noch einmal so groß werden wie in diesem Jahr.

Der 1,88 Meter große und 85 Kilogramm schwere Athlet kommt mit am schlechtesten von allen Sprintern über die Berge. Das war schon in der Vergangenheit ein Problem, Kittel hat von acht großen Landesrundfahrten, die er in seiner Karriere bestritten hat, nur drei beendet. Und die Konstellation bei dieser Tour mit dem frühen Ausfall von Mark Cavendish, der Formschwäche André Greipels und vor allem dem Ausschluss von Peter Sagan dürfte sich so kaum noch einmal wiederholen. Auch wenn er sie nicht beenden konnte, ist Marcel Kittel einer der großen Gewinner dieser Tour de France.

Gib mir Fünf! Marcel Kittel war klar der beste Sprinter im Feld. Für das Grüne Trikot reichte es aber nicht, weil er die Tour nach einem Sturz aufgeben musste.
Gib mir Fünf! Marcel Kittel war klar der beste Sprinter im Feld. Für das Grüne Trikot reichte es aber nicht, weil er die Tour nach einem Sturz aufgeben musste.

© Lionel Bonaventure/AFP

Emanuel Buchmann

Als Emanuel Buchmann bei radsport-news.com vor der Tour nach seinem Motto für die anstehende Frankreich-Rundfahrt gefragt wurde, lautete seine Antwort: „In der Ruhe liegt die Kraft.“ Tatsächlich ließ es der 24-Jährige in den vergangenen drei Wochen vielleicht etwas zu ruhig angehen. Dass er als Gesamt-15. das beste Ergebnis eines deutschen Radprofis seit fünf Jahren bei der Tour erzielen dürfte, geht fast ein wenig unter. Denn Buchmann war trotz seiner starken Platzierung nur selten ganz vorn im Feld zu sehen. Bezeichnend: Auf der 18. Etappe verpasste er die Spitzengruppe und jagte ihr anschließend vergeblich hinterher. Allerdings nahm Buchmann bei der Tour de France in diesem Jahr auch eine besondere Entwicklung. Ursprünglich war er als Helfer vorgesehen, auf den Flachetappen für Peter Sagan, später dann für Rafal Majka, den eigentlichen Kapitän des Teams Bora-hansgrohe.

Erst als Sagan ausgeschlossen wurde und Majka aufgeben musste, hatte Buchmann freie Fahrt. Ein ähnlicher Husarenritt wie bei seiner ersten Tour 2015, als er auf einer schweren Bergetappe in den Pyrenäen auf Platz drei fuhr, gelang ihm allerdings nicht. Damals hatte er gesagt: „Ich möchte mich zu einem starken Klassementfahrer entwickeln.“ In dieser Hinsicht ist der Ravensburger auf einem guten Weg. Dass es auch noch zu einem echten Topfahrer reicht, muss er noch beweisen. Sein Teamchef Ralph Denk hofft das weiterhin: „Er ist noch jung, vielleicht macht er noch einmal einen Sprung.“ Die Frage ist nur, ob sie bei Bora-hansgrohe darauf warten wollen. Wahrscheinlicher ist, dass Buchmann die Rolle eines Edelhelfers zufallen könnte. Vielleicht fährt er so auch irgendwann einmal für einen Toursieger – zumindest hätte er dann gute Chancen, selbst einmal in vorderster Front ins Bild zu rücken.

Emanuel Buchmann steht vor seinem besten Tour-Ergebnis.
Emanuel Buchmann steht vor seinem besten Tour-Ergebnis.

© Thissen/dpa

Simon Geschke

Anders als Emanuel Buchmann muss sich Simon Geschke keine Sorgen machen, dass er im großen Fahrerfeld womöglich übersehen werden könnte. Der Berliner trägt einen auffälligen Vollbart, der längst zu seinem Markenzeichen geworden ist. Und Geschke versteht es, sich zu inszenieren. Sein Besuch beim Tour-Barbier gehört inzwischen zum festen Ritual bei jeder Frankreich-Rundfahrt. In diesem Jahr machte er dabei ein besonders zufriedenes Gesicht, denn das deutsche Team Sunweb ist mit bisher vier Etappensiegen überaus erfolgreich. Dazu trägt Michael Matthews das Sprintertrikot und Warren Barguil steht als Gewinner der Bergwertung bereits fest.

Simon Geschke hat daran seinen Anteil. Er ist einer jener Helfer, auf die die Siegfahrer bei einer großen Rundfahrt angewiesen sind. Der 31-Jährige weiß um seine Rolle, viel Platz für persönlichen Ruhm bleibt da nicht. „Radsport ist für mich mehr Team- als Einzelsport“, hat Geschke auch vor dieser Tour wieder betont – und genau das in Frankreich dann auch wieder verkörpert. Matthews brachte er bei den Sprintankünften in möglichst gute Position und Barguil profitierte bei seinem zweiten Etappensieg am vergangenen Donnerstag am Col d'Izoard auch davon, dass der zuvor ausgerissene Geschke später noch ein bisschen Tempo für ihn machte, als er wieder eingeholt worden war. Es sind Momente wie dieser, für den ein Wasserträger lebt. Und an dem sein Wert gemessen wird. Sich derart unterzuordnen, fällt nicht jedem Fahrer leicht.

Simon Geschke hat in dieser Hinsicht vielleicht auch den Vorteil, dass er den einen, ganz großen eigenen Erfolg schon erlebt hat, als er vor zwei Jahren eine Alpenetappe bei der Tour de France gewonnen hat. Das nimmt den Druck und macht es einfacher, den Profizirkus auch mal mit Humor zu nehmen. Und dass Geschke davon eine ganz Menge hat, ließ er die Welt gerade erst im Mai wieder wissen. Beim Giro d'Italia war der Teambus ohne ihn abgefahren, Geschke zeigte sich anschließend bei Twitter mit gerecktem Daumen in Anhalter-Pose.

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