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Sport: Tore im Schlamm

Auch Sportvereine sind von der Flut betroffen – wer ihnen hilft, ist noch unklar

Von Robert Ide

Sermuth. Drei Tage lang haben sie gefeiert. Hunderte Leute saßen auf dem Vereinsgelände des SV Eintracht Sermuth, sie sangen unter Flutlicht und tanzten auf dem Fußballrasen. „Unser ganzes Dorf war da“, berichtet Schatzmeister Thomas Gebhardt. 105 Jahre ist der Verein im sächsischen Muldetal am vergangenen Wochenende alt geworden – ein gesellschaftliches Ereignis für die kleine Gemeinde und die 500 Einwohner. Doch am Montag nach dem Fest kam das Wasser. Nun ist vom SV Eintracht Sermuth nichts mehr übrig.

Die Spielplätze sind mit giftigem Schlamm bedeckt, das Vereinsheim ist eine Ruine. Das Sozialgebäude mit Sanitäranlagen und Umkleidekabinen steht vor dem Einsturz. Vor dem Gelände wurde ein Schild aufgestellt: „Betreten verboten. Lebensgefahr!“

Ein Damm ist gebrochen. In Sermuth fließen Zwickauer Mulde und Freiberger Mulde zusammen – vor der Flutwelle waren das zwei harmlose Flüsschen. Das Vereinsgelände lag genau an der Mündung. Mit dem Dammbruch am Montag versank alles. Nur ein Schornstein ragte aus dem Wasser. Drei Jahre lang haben die Fußballer aus Sermuth alles selbst aufgebaut: das Vereinsheim mit neuem Dach, eine Flutlichtanlage, eine Kläranlage. Nun ist alles weg. Nach ersten Schätzungen belaufen sich die Schäden auf eine Viertelmillion Euro. Gebhardt sagt: „Wenn ich sehe, wie das jetzt aussieht, bin ich mutlos.“ An Sport denkt hier niemand mehr, zumal viele Vereinsmitglieder auch ihr privates Hab und Gut verloren haben. Die Saison der Bezirksliga, in die die erste Mannschaft erst vor einigen Wochen aufstieg, beginnt ohne den SV Eintracht Sermuth.

„Viele der Verantwortlichen sind gar nicht mehr ansprechbar“, sagt Hermann Winkler, Chef des Landessportbundes Sachsen. Auch Winkler war am Wochenende beim Vereinsfest in Sermuth. Jetzt nennt er den Verein ein „besonders tragisches Beispiel für Sachsen“. Dort belaufen sich die Schäden für den Sport nach ersten Schätzungen auf einen dreistelligen Millionenbetrag. Winkler erreichen jeden Tag neue Nachrichten. In Grimma wurden zwei Fußballstadien und eine Tennisanlage überflutet, von einem Sportlerheim stehen nur noch die Grundmauern. Noch schlimmer hat es die Ruder- und Kanusportler an den Ufern der Elbe und Mulde getroffen. „Bei 85 Vereinen ist alles kaputt – von den Stegen bis zu den Bootshäusern.“ Die Hamburger Bewerbergesellschaft zur Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012 hat inzwischen 30 000 Euro für die Wassersportler in Dresden gespendet.

Wie kann den Sportvereinen in den Hochwassergebieten geholfen werden? Bislang haben sich Politiker kaum mit dieser Frage beschäftigt – kein Wunder, denn viele Menschen in den betroffenen Gebieten kämpfen immer noch um ihre Existenzen. „Irgendwann ist die Flut aus den Schlagzeilen raus“, sagt Gebhardt. „Und was wird dann aus uns?“ Der Landessportbund Sachsen hat inzwischen zu Spenden aufgerufen. Konkrete Hilfen für Vereine gibt es bislang wenige. Der Berliner Fußball-Verband (BFV) etwa spendet 5000 Euro, die an die Landesverbände in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg übergeben werden, um die Fortsetzung des Trainings- und Spielbetriebs zu unterstützen.

Der Deutsche Sportbund erstellt derzeit eine erste Schadensbilanz. Für die Erneuerung der Sportstätten sind mehrere Finanzierungsmöglichkeiten denkbar. Der Restrukturierungsfonds, den die Bundesregierung mit Hilfe der verschobenen Steuerreform auflegen will, könnte auch für die sportliche Infrastruktur genutzt werden. Eine andere Quelle wäre der so genannte „Goldene Plan Ost“, mit dem Bund, Länder und Kommunen den Bau von Stadien und Sporthallen in den neuen Bundesländern bezahlen. Dieser Fördertopf, aus dem 2002 in Sachsen 15 Millionen Euro fließen, könnte für den Wiederaufbau umgewidmet werden. „Wir müssen den Goldenen Plan deutlich verstärken und für die vom Hochwasser betroffenen Vereine nutzen“, fordert SPD-Sportexperte Peter Dankert. Zudem sollten die Kommunen von ihrem Finanzbeitrag befreit werden. „Wir werden den Sport nicht vergessen“, heißt es aus dem Hause von Sportminister Otto Schily (SPD). Für die Förderung des Breitensports seien allerdings die Länder zuständig.

Beim SV Eintracht Sermuth liegen die Sorgen derzeit auf dem Platz. Ölverseuchter Schlamm und tonnenweise Müll kleben auf den Fußballfeldern. Durch die Sonne wird der Dreck hart. Thomas Gebhardt sagt: „So schlimm der letzte Regen für uns war, wir hoffen auf den nächsten.“

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