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© Imago

Torhüter Nick Hamann: Reif von der Insel

Nick Hamann war vier Jahre bei Chelsea. Er weiß, warum deutsche Torhüter in England so beliebt sind und wieso sie es trotzdem nicht ins Profiteam schaffen.

In England haben einheimische Torhüter selten schmeichelhafte Spitznamen. "Banks of England", der unvergessene Gordon Banks, Weltmeister von 1966, war der letzte. Seine Nachfolger haben sich mit allerlei Fehlgriffen die Beinamen "Calamity-James" ("Unglücks-James") oder "Misses Robinson" eingehandelt. Kein Wunder, dass sich die Klubs der Premier League derzeit verstärkt um ausländische Keeper bemühen - auch aus dem Land der "Teufelskerle"‚ "Katzen" und "Titanen".

Nick Hamann ist einer von ihnen. Der Torwart der zweiten Mannschaft des Hamburger SV war vier Jahre beim FC Chelsea. Im Sommer 2003 wurde der heute 20-Jährige von englischen Scouts entdeckt. Nach einem Probetraining wagte er dann den Sprung über den Kanal - mit fünfzehn Jahren zog er aus dem nordhessischen Altenhasungen bei Kassel in die Weltstadt London. "Die Umstellung war schon groß. Ich kam aus einem kleinen Dorf von 500 Einwohnern. Und London ist ja schon ein bisschen größer."

Hamann kam in eine Gastfamilie und besuchte die deutsche Schule in London. Im Verein fand er zudem schnell Anschluss. "Mit Robert Huth und Sebastian Kneißl waren schon zwei Deutsche bei Chelsea, die mir bei der Eingewöhnung geholfen haben und mit denen ich mich super verstanden habe. Robert Huth ist heute noch mein bester Kumpel."

Auch sportlich war er erfolgreich. Aufgrund seiner Statur spielte Hamann schon als 16-Jähriger in der U19, wo er zum Stammtorhüter wurde und in jeder Hinsicht eine erfolgreiche Zeit erlebte: "2004 sind wir Meister geworden und haben reihenweise Turniere gewonnen." Er kam schnell mit der britischen Mentalität zurecht, sodass sich sogar Michael Ballack Ratschläge bei dem Nachwuchsspieler holte: "Ich hab ihm am Anfang Tipps gegeben, wo man in London wohnen kann."

Über das Torwarttraining in England, hierzulande gerne als deutsche Spezialität angesehen, weiß Hamann nur Gutes zu berichten. "Das war genauso professionell wie in Deutschland." Dennoch stellt sich die Frage, wieso die Torwartposition in Englands Nationalteam seit Jahren eine Schwachstelle ist. Nick Hamann nennt die Grundprobleme: "In der ganzen Zeit habe ich nie englische Torwarttalente gesehen, die in den Nachwuchsmannschaften Stammspieler waren. Die englischen Torhüter haben zu viele Fehler gemacht. Das waren Pannentorhüter."

Deutsche Torhüter genießen dagegen einen guten Ruf in England. Außer Nick Hamann zog es noch vier weitere Nachwuchskeeper auf die Insel: Pascal Formann spielte ab 2000 viereinhalb Jahre in der Jugend von Nottingham Forest. 2005 folgten Ron-Robert Zieler (Manchester United) und Björn Bussmann (Blackburn). Im Jahr 2007 kam Niclas Heimann (Chelsea) hinzu. Allerdings sei das keine reine Nationalitätenfrage. "Die Scouts fahren ja nicht mit der Absicht nach Deutschland, gezielt Torhüter zu holen, sondern suchen einfach überall nach Talenten."

Doch kaum eines der Talente schafft danach den Sprung zu den Profis. Auch für Nick Hamann war im Sommer 2007 Schluss in Chelsea. Sein Vertrag wurde nicht verlängert. "Ich habe in der ganzen Zeit bei Chelsea kein Talent kennen gelernt, das den Sprung in den Profi-Kader geschafft hat", sagt er. "In England spielen die Reserveteams in einer eigenen Liga, dort gibt es keinen Auf- oder Abstieg. Daher ist der Wettkampf und Konkurrenzdruck nicht so vorhanden, wie zum Beispiel hier in der Regionalliga, wo man auch gegen erste Mannschaften spielt."

Also ging Hamann zum HSV und gehört seitdem zur zweiten Mannschaft. Wenn die Chance sich böte, würde er aber wieder nach England zurückkehren. Er hat immer noch Kontakt zu Weggefährten aus seiner Zeit in London. Obwohl er dort nicht den Sprung ins Profigeschäft geschafft hat, bereut er seine Wahl nicht: "Das war die beste Entscheidung meines Lebens."

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