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Torsten Frings: Opfer einer imaginären Revolution

Torsten Frings droht den Rücktritt aus der Nationalelf an – Bundestrainer Löw verwehrt ihm einen Stammplatz

Es gibt viele Orte in Bremen, an denen Torsten Frings Präsenz zeigt. Auf Plakatwänden oder Litfaßsäulen ist der Fußballprofi mit entschlossenem Gesichtsausdruck abgebildet und darauf prangt die Botschaft: „Ich will Dich!“ Diese Art der Mitgliederwerbung kommt gut an bei den Sympathisanten von Werder Bremen, doch derzeit löst Frings in Bremen auch hitzige Debatten aus. Die Anhängerschaft ist gespalten: Hat Frings denn recht, wenn er nun von einer Demütigung in der Nationalmannschaft spricht? Noch am Donnerstag hatte der 78-fache Nationalspieler am Weserstadion verlauten lassen, er wolle nichts sagen und hatte das damit begründet, für ihn zähle allein das heutige Bundesligaspiel gegen Borussia Dortmund. Doch das war gelogen. Über die „Bild“-Zeitung erhob Frings später schwere Vorwürfe. Er sei enttäuscht, dass er beim WM-Qualifikationsspiel gegen Russland nur auf der Bank gesessen habe, und dass er sich gegen Wales nicht einmal warmlaufen durfte, sei „die Krönung“ gewesen: „Eine Demütigung.“ Frings schoss scharf gegen Bundestrainer Joachim Löw: „Ich sehe bei ihm derzeit keine Perspektive für mich.“ Die Folgerung: „Klar, ich denke an einen Rücktritt. Nicht, weil ich beleidigt bin, sondern weil mir die letzten Tage die Augen geöffnet haben.“

Deftige Worte, die heftigen Widerhall provozierten. Zur Mittagsstunde versandte der DFB eine Pressemitteilung, in der Löw auf Distanz ging. „Es ist von mir aus eigentlich schon alles gesagt, was wichtig ist. Ich habe mit Torsten Frings zwei ausführliche Gespräche geführt. Er genießt bei mir weiterhin eine hohe Wertschätzung, allerdings kann ich im Sinne des Konkurrenzkampfes keine Stammplatzgarantie geben“, erklärte der Bundestrainer. „Das ist aber keine Frage fehlenden Respekts gegenüber ihm, wie er das formuliert, sondern der Einschätzung der sportlichen Situation.“ Als Bundestrainer sei er im Blick auf die WM 2010 dazu verpflichtet, jüngeren Spielern eine Chance zu geben. Werders Sportdirektor Klaus Allofs war bemüht, die Wogen zu glätten. „Es gibt für Torsten keine Veranlassung zurückzutreten. Ich würde ihm davon abraten.“

Fraglich allerdings, ob der frustrierte Frings diesen Rat überhaupt wahrnimmt. Der 31-Jährige, verheiratet, zweifacher Vater, Autofreak sowie Tier- und Tattooliebhaber, zählt zu jenen Stars, die in ihrer ganz eigenen Welt leben. Der einst von Otto Rehhagel bei Alemannia Aachen entdeckte Frings sieht sich bei Werder Bremen als Leistungsträger, Wortführer und Vorkämpfer. All das geschieht mit völliger Rückendeckung der sportlichen Leitung. Und trotz des schleppenden Saisonstarts, den der 2007 dreimal am Knie operierte Mittelfeldspieler hinlegte, äußerten Thomas Schaaf oder Allofs nie Kritik an ihrer Nummer 22. Das alles muss man wissen, um das Selbstbild des Bremers zu begreifen.

Für Frings kommt es einer Revolution gleich, auf ihn zu verzichten. Dass Thomas Hitzlsperger handlungsschneller und passsicherer ist, dass Simon Rolfes längst auf der Überholspur ist, dass es sportlich sehr nachvollziehbare Gründe gab, ihn auf die Bank zu verbannen, blendet Frings aus. Und über die Mittelfeld-Konkurrenten Hitzlsperger und Rolfes stichelte er wenig kollegial: „Sie sind nicht besser. In der Nationalelf sollte doch immer noch die Leistung aus der Bundesliga entscheidend sein. Und selbst wenn wir drei gleich stark sein sollten, erwarte ich vom Trainer mehr Rückendeckung, Vertrauen und Respekt.“ Fragt sich nur, wer jetzt den Respekt vermissen lässt. Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff ahnte bereits: „Ich hoffe, dass Torsten keine verkehrte Entscheidung fällt.“ Er scheint auf dem besten Wege.

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