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Gestatten: Batida und Coco. Als Torsten Mattuschka 2005 zum 1. FC Union wechselte, brachte er seine beiden Hunde mit.

© Imago

Torsten Mattuschka und der 1. FC Union: Der Held von unten verlässt Berlin

In Torsten Mattuschka verliert der 1. FC Union den Spieler, der den Klub verkörperte wie kein anderer. Der frühere Kapitän war die Identifikationsfigur der Fans, dessen Schwächen mit Humor genommen werden mussten.

Wahrscheinlich wäre am Freitagabend alles anders gekommen. Die Zuschauer im Stadion An der Alten Försterei hätten ihre Mannschaft nach dem 0:4 nicht so bedingungslos gefeiert. Sie hätten stattdessen den Namen eines Mannes gerufen, der ihnen in den vergangenen neun Jahren mehr Glücksmomente verschaffte, als irgendein anderer, der in dieser Zeit das Trikot des 1. FC Union trug. Sie hätten ihm eine Choreografie gewidmet oder weiß Gott was veranstaltet. Aber die Zuschauer wussten da noch nicht Bescheid und kaum einer ahnte, dass dieser 29. August 2014 aus Unioner Sicht historisch werden sollte: Es war der Tag, an dem Torsten Mattuschka zum letzten Mal als Spieler des 1. FC Union auf dem Spielberichtsbogen stand. Eingesetzt wurde er von Trainer Norbert Düwel nicht. Wieder einmal.

Mattuschka, 33, der wohl beliebteste Fußballer in der Geschichte des Klubs aus dem Berliner Osten, zieht daraus die Konsequenz und wechselt dorthin zurück, wo er 2005 hergekommen war: zum FC Energie nach Cottbus, in seine Geburtsstadt. Der Drittligist hat für den heutigen Montag eine Pressekonferenz anberaumt, auf der Mattuschka als Neuzugang vorgestellt werden soll. Der Spieler sagte am Sonntag zwar: „Unterschrieben ist noch nichts“, aber das soll sich im Laufe des Montagvormittags ändern. Am Sonnabend hatten sich einige Mitspieler von Mattuschka verabschiedet.

Es war ein Abschied im Verborgenen, heimlich und leise, fernab jeder Öffentlichkeit. Ein Abschied, der so rein gar nicht zu Torsten Mattuschka und seiner Rolle beim 1. FC Union passen will. Der langjährige Kapitän, genannt „Tusche“ stand neun Jahre für maximale Unterhaltung – auf und abseits des Feldes. Seine lockeren Sprüche, seine Art Fußball zu spielen, der „Tusche-Kreisel“, bei dem er sich mit dem Ball am Fuß um die eigene Achse drehte und mehrere Gegenspieler ins Leere laufen ließ, die genauen Diagonalpässe über 60 Meter und seine Schussgewalt, all das machte ihn mit den Jahren zum Publikumsliebling bei Union. Wenn er zum Freistoß antrat, wurde es immer laut in der Alten Försterei. Dann sangen sie: „Torsten Mattuuuuschka, du bist der beste Mann, Torsten Mattuuuuschka, du kannst, was keiner kann, Torsten Mattuuuuschka, hau ihn rein für den Vereeeein.“ Und Mattuschka? Der haute ihn dann tatsächlich oft rein. Für den Verein.

Einmal gelang ihm das sogar im Olympiastadion gegen Hertha BSC, dem weitaus größeren und potenteren Berliner Klub. Mattuschkas Freistoßtor machte Union zum Sieger. Seine anschließende Jubelpose wurde auf Textil verewigt. Das Shirt ist ein zeitloser Verkaufsschlager.

Union und Mattuschka, das passte einfach. Der Klub kann keine ruhmreiche Geschichte sein Eigen nennen, aber er besitzt eine bewegte Vergangenheit. So wie Mattuschka. Der galt während seiner Jugend als großes Talent, hatte mit Gewichtsproblemen und Disziplinlosigkeit zu kämpfen, wurde aber gegen alle Widerstände doch noch ein gefeierter Profi. Ein Held von unten, einer, dessen Leben sich kaum von dem der breiten Masse zu unterscheiden schien. Einmal wurde ihm von einem jüngeren Mitspieler die Freundin ausgespannt, aber Mattuschka blieb besonnen. Für den Verein.

In den vergangenen Wochen war das Torsten-Mattuschka-Lied kaum noch zu hören. Weil Torsten Mattuschka nicht spielte. Trainer Norbert Düwel konnte mit ihm als Fußballer nicht viel anfangen, trotz der zwölf Tore und zwölf Vorlagen aus der Vorsaison. Düwel will neu beginnen, ohne den bald 34 Jahre alten Mittelfeldspieler. Nur kommunizierte er das nie so klar. Mattuschka, ein Freund offener Worte, und Düwel gerieten bald aneinander.

Dem Trainer fehlte im Gegensatz zu seinem Vorgänger Uwe Neuhaus das Gespür für den Umgang mit Mattuschka. Neuhaus war auch nie vollständig mit seinem Regisseur zufrieden, aber er verstand es, ihn zu Spitzenleistungen zu kitzeln. Nach einem besonders herausragenden Spiel, bei dem Mattuschka entgegen seiner Gewohnheit sehr viele Kilometer zurückgelegt hatte, sagte Neuhaus: „Ich musste zuerst zweimal hinsehen, ich dachte, er hat heute seinen Bruder geschickt.“

Düwel hat nie versucht, Mattuschkas Schwächen mit Humor zu nehmen und seine Stärken zu forcieren. Hätte er es getan, wahrscheinlich wäre alles anders gekommen.

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