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Dunkle Wolken über der White Hart Lane. Das Stadion im Norden Londons soll neu gebaut werden, um dadurch Anschluss an die City zu bekommen. Foto: Imago

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Tottenham Hotspur: Im Zentrum des Proteststurms

Im ärmlichen Londoner Stadtteil Tottenham fingen die Krawalle an – ein neues Fußballstadion für die Hotspurs soll eine bessere Zukunft bringen.

Es sieht ohnehin schon apokalyptisch aus rund um die White Hart Lane. Für den geplanten Neubau ihres Stadions haben die Tottenham Hotspurs bereits Grundstücke rund um das Areal herum gekauft und Häuser abreißen lassen. Das Bild der Zerstörung wirkt durch die Folgen der Ausschreitungen, die am vergangenen Samstag ihren Anfang in dem ärmlichen Londoner Stadtteil nahmen und inzwischen ganz England erfasst haben, nun richtig verheerend. Ob in dem Stadion am Samstag das erste Saisonspiel der Premier League zwischen den Spurs und dem FC Everton angepfiffen wird, entscheidet sich frühestens heute. Dann wollen die Liga-Verantwortlichen mit der Polizei beraten.

„Ich habe gehört, dass es am Stadion unruhig ist, deswegen bleibe ich weg. Ich bin geschockt von den Bildern. Es ist unglaublich“, sagte Spurs-Profi Rafael van der Vaart. Er rechnet damit, dass am Wochenende nicht gespielt wird: „Mein Gefühl sagt Nein.“ Mit ihrer Entscheidung über eine eventuelle Absage des gesamten Spieltages der weltweit erfolgreichsten Fußballliga oder einzelner Partien wollen sich die Verantwortlichen möglichst lange Zeit lassen.

Allein am Samstagnachmittag sollen drei Spiele der Premier League in London stattfinden, die Polizei bräuchte für jedes ungefähr 100 Einsatzkräfte, um für ein Mindestmaß an Sicherheit zu sorgen. Ob diese Kräfte für die Abwicklung eines nach außen hin normalen Lebens, das aus Fußballspielen besteht, zur Verfügung stehen werden, ist offen. In London blieb es in der Nacht zum Mittwoch weitgehend ruhig, in Birmingham und Manchester, wo am Wochenende auch Erstligaspiele stattfinden sollen, kam es in der Nacht zum Mittwoch zu heftigen Krawallen und Plünderungen.

Die Aufwertung von Londoner Vierteln hat einen Bogen um das multikulturelle Tottenham gemacht, die Fans des Klubs leben meist in umliegenden Stadtteilen. Sie zählen eher zur bürgerlichen Klientel und waren früher jüdisch, heute spielen einige Anhänger mit diesem Image. Sie schwenken israelische Fahnen und nennen sich selbst „Yids“, was Jude bedeutet, aber auch als Schimpfwort benutzt wird. Alle zwei Wochenenden fallen Zehntausende Fußballfans in den Nordlondoner Stadtteil ein und sind nach Spielende recht schnell wieder aus Tottenham verschwunden – wenn sie denn einen Weg dafür finden. Der Glanz der Premier League lassen sie auf jeden Fall nicht zurück. Tottenham ist im wahrsten Sinne des Wortes abgehängt, die schlechte Verkehrsanbindung gilt als ein Hauptgrund für die fehlende Entwicklung des Stadtteils, wo die Großstadt bereits ausfranst und teilweise schon ins Ländliche übergeht.

Von dem Großbauprojekt New White Hart Lane mit seinen Geschäften, Hotels, Restaurants sowie Büro- und Wohnräumen erhoffen sich nicht nur die Verantwortlichen Klubs, wieder Anschluss zu finden. Der ganze Stadtteil setzt auf die positiven Folgen des Projekts, die vor allem in besseren Verkehrsanschlüssen an die Innenstadt bestehen sollen.

Die Spurs möchten wieder an ihre großen Zeiten anknüpfen. Der letzte Meistertitel gelang ihnen 1961, der letzte internationale Erfolg mit dem Gewinn des Uefa-Cups 1984. In Deutschland bekam der Klub Mitte der neunziger Jahre größere Aufmerksamkeit, als Jürgen Klinsmann dort spielte und Englands Fußballer des Jahres wurde. Dies sind aber nicht die Tage, um in Erinnerungen an glorreiche Zeiten zu schwelgen oder von einer großen Zukunft zu träumen. An der White Hart Lane würde man sich freuen, am Wochenende Fußballspielen zu dürfen.

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