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Tour de France: Für keine Cola der Welt

Wahrscheinlich kann niemand, außer natürlich den Fahrern selbst, verstehen, welche Qualen sie sich da freiwillig antun - aber wozu auch?

Ich frage mich, wie viele Radsportfans ein lediglich theoretisches Couchwissen besitzen, sprich: Wie viele von denen, die Sport per Fernbedienung treiben noch nie weiter als bis zur nächsten U-Bahnstation oder mal eben zum Spätkauf geradelt sind? Diese Frage sei erlaubt, gerade weil es in Berlin außer dem vergleichbar harmlosen Teufelsberg keinen Anstieg wie etwa den Galibier gibt. Wie steil es tatsächlich in den Alpen ist, das kann selbst der beste Kameramann nicht einfangen. Und wie kann man erst verstehen, was es heißt, vom Besenwagen aufgesammelt zu werden? Die Spezialisten sind seit über einer halben Stunde im Ziel; sie haben, gestriegelt und gekämmt, unter gestrenger Aufsicht in einen Becher uriniert, haben zwei Cola getrunken und fünf Interviews gegeben, derweil man selbst seit etwa zwei Kilometern vergeblich um ein größeres Ritzel bettelt. Das ist doch Quälerei. Das kann einfach nicht gesund sein.

Beim Fußball ist die Sache anders gelagert. Hier erkennt man sehr schnell die Grenze des Machbaren; auch wenn es vielen schwer fällt, diese Tatsache zu akzeptieren. Dass man nämlich als Durchschnittstalentierter nicht in der Lage ist, dem Ball Befehle zu geben, sondern, ganz im Gegenteil, die Heimtücken der manchmal aufbrausenden Lederkugel fürchten sollte - diese Tatsache ist nun mal an unwiderlegbare Naturgesetze gekoppelt. Da hilft weder Training noch Doping. Und wie ist es nun beim Radsport?

Selbst, wenn man bereits die Alpen auf eigene Faust erklommen hat und mit über 90 Stundenkilometern wieder zu Tal gerast ist. Für kein buntes Trikot, auch für keine von diesen süßen Damen, die bei der Siegerehrung so unglaublich gerne lachen, würde ich da ein zweites Mal freiwillig drüber wollen. Nein, ich frage mich lieber nicht, was es heißt das halbe Leben auf dem Rad zu sitzen. Mit diesen bescheuerten Bräunungsstreifen an Armen und Beinen. Und dem verlockenden Angebot die Qualen ein wenig lindern zu können.

Paul Linke

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