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An der Seite der Stars. So sieht sich Cadel Evans (rechts neben dem zweimaligen Tour-Sieger Alberto Contador). Dass er nicht als Spitzenfahrer und Favorit auf den Gesamtsieg wahrgenommen wird, ärgert den Australier gewaltig. Foto: dpa

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Tour de France: Sorgen ums Image

BMC Racing wollte die große Show im Radsport wiederbeleben und holte dafür Cadel Evans. Doch die Vergangenheit um Floyd Landis und aktuelle Verstöße rücken das Team in die Nähe des Dopings.

Cadel Evans ist der Schattenmann der Tour de France. Schon eingangs der Alpen war er der Bestplatzierte jener Fahrer, die das Podium auf den Champs-Élysées ins Auge gefasst haben. Am gestrigen Sonntag übernahm er das Gelbe Trikot, als er nach der achten Etappe zehn Sekunden hinter Tagessieger Andy Schleck ins Ziel kam. Doch wenn über die großen Favoriten gesprochen wird, fehlt sein Name meist. Nicht einmal Mitkonkurrent Schleck hält ihn für einen gefährlichen Rivalen. Evans äußerte sich in der französischen Sportzeitung „L’Équipe“ einigermaßen verwundert darüber. „Aber jeder hat das Recht, zu denken, was er will.“

Cadel Evans beschäftigt noch immer das Trauma der Missachtung, das er vor sechs, sieben Jahren in den Reihen von T-Mobile erfahren hat. Durch den WM-Titel in Mendrisio hat sich die Situation für den Australier ein wenig verbessert. Doch noch immer wird er über jeden zornig, der nicht sieht, dass er die Tour 2008 gewonnen hätte, wenn er nicht gestürzt wäre.

In diesem Jahr läuft vieles besser. Den Ritt über das Kopfsteinpflaster vor Arenberg hat er als Bester der Klassementfahrer überstanden. Evans wächst bei harten Bedingungen über sich hinaus. „Der Kerl lässt es immer dann krachen, wenn es richtig schwierig wird“, sagt sein neuer Arbeitgeber Andy Rihs. Der Hörgeräte-Milliardär glaubt fest an Evans – weshalb er ihn für sein Team BMC Racing engagiert hat. „Wir wollen eine gute Show abliefern. Cadel ist ein Garant dafür“, schwärmt Rihs.

Und die Radsport-Show ist schließlich das Wichtigste für den Unternehmer. „Ich sehe Radsport ganz kühl als Business“, erklärt Rihs im Schatten des Teambusses. „Das ist ein effektives Marketing- Instrument. Es hat uns geholfen, mit Phonak Marktführer bei den Hörgeräteherstellern zu werden. Mit BMC wollen wir auch dahin.“ Mit dem Fahrradhersteller dürfte dieses Vorhaben noch leichter sein. Hier sitzen die Protagonisten der Dauerwerbeplattform Tour de France direkt auf den Produkten, auf die sie aufmerksam machen sollen. Bei Phonak musste der Image-Transfer von „Better Racing“ zu „Better Hearing“ noch einen Umweg nehmen.

Wie sehr die Doping-Affäre des Phonak-Kapitäns Floyd Landis die Aufmerksamkeit für die Marke erhöht hat, mag Rihs nicht sagen. Er sagt: „Ich bin enttäuscht von der Person Floyd Landis.“ Vom Dopingprogramm des Amerikaners will er nichts gewusst und es erst recht nicht bezahlt haben. Bei dieser Aussage bleibt er auch nach Landis’ jüngsten Aussagen, die genau das Gegenteil behaupten. Rihs stellt Landis’ Glaubwürdigkeit in Frage. „Warum gibt ein Mann erst zwei Millionen Dollar dafür aus, seine Unschuld zu beweisen, und erklärt Jahre später freiwillig exakt das Gegenteil? Aus Businessperspektive ist das verbranntes Geld“, sagt er dem Tagesspiegel.

Zum Radsport ist der frühere Phonak-Patron angeblich wieder zurückgekehrt, weil er das Milieu für sauberer hält als vorher. „Es gibt jetzt intelligente Kontrollen und das Blutpassprogramm. Das ist der richtige Weg“, sagt er. Dass ausgerechnet einer seiner Angestellten kürzlich die Schwächen des Blutpassprogramms offenbart hat, wischt Rihs als bedauerliche Episode weg. Der Schweizer Thomas Frei hatte im April erklärt, nur deshalb mit einer Mikrodosis Epo erwischt worden zu sein, weil er es versäumt hatte, das Flüssigkeitsvolumen seines Körpers durch Wassertrinken zu vergrößern. „Ich habe nicht geglaubt, dass die Kontrolleure auch sonntags kommen“, sagte er der „Neuen Zürcher Zeitung“. Während Frei überzeugt ist, mit etwas mehr Sorgfalt niemals entdeckt worden zu sein, glaubt Rihs: „Früher oder später werden alle Betrüger erwischt.“

Interessant wird, wie viele Fahrer BMC Racing nach einer solchen Stunde der Wahrheit noch unter Vertrag hätte. Ex-Weltmeister Alessandro Ballan steht weiter im Fokus einer Dopingermittlung gegen dessen alten Rennstall Lampre in Mantua. Dem Ex-Armstrong-Helfer Hincapie ist nach den Landis-Äußerungen der US-amerikanische Doping-Fahnder Jeff Novitzky auf den Fersen. Weil Radsport ein Mannschaftssport ist, hätte dann auch das Gelbe Trikot des bislang so unauffälligen Cadel Evans dunkle Flecken.

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