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Sport: Tour de France: Wer ist Virenque? (Glosse)

Früher war das Leben in Frankreich einfach. Bei wichtigen Entscheidungen zog der Staatspräsident François Mitterand die Astrologin Elisabeth Teissier zu Rate, und seine Landsleute wussten bei Problemen ebenfalls eine Patentlösung - sie streikten.

Früher war das Leben in Frankreich einfach. Bei wichtigen Entscheidungen zog der Staatspräsident François Mitterand die Astrologin Elisabeth Teissier zu Rate, und seine Landsleute wussten bei Problemen ebenfalls eine Patentlösung - sie streikten. Ansonsten gab sich die Grande Nation dem Savoir Vivre hin, mit viel Rotwein und gutem Essen. Jedes Jahr im Juli genoß sie den sportlichen Höhepunkt des Jahres, die Tour de France. Doch dieses Frankreich-Bild kann man nun endgültig vergessen.

Nicht nur, dass Elisabeth Teissier schon lange nicht mehr zur politischen Zukunft Frankreichs befragt wird. Auch wirtschaftlich befinden sich die Franzosen trotz ihrer ungebrochenen Streiklust im Aufschwung. "Die fleißigen Nachbarn" nennt die "Süddeutsche Zeitung" die Franzosen inzwischen, und mit dem Savoir Vivre ist es wohl auch nicht mehr so, wie es mal war. Den jüngsten Nachrichten zufolge ist der Rotwein in der Pariser Geschäftswelt vom Café noir abgelöst worden. Und welcher Sport füllt vor dem heutigen Start der Tour de France in Futuroscope die französischen Zeitungsseiten? Fußball, Fußball, Fußball.

Die Franzosen haben eine amour nouveau. Seit der Weltmeisterschaft 1998 gehört das Herz unserer Nachbarn dem Fußballsport. Während die Menschen damals nach dem Titelgewinn der Equipe tricolore in Paris auf den Straßen tanzten, versteckte sich der einstige Liebling Tour de France bei seinem Start verschämt in Irland und wagte sich erst später auf das Festland. In den folgenden Wochen verlor der Radsport weitere Anhänger, denn die Rundfahrt beschäftigte sich damals nur noch noch mit einem Thema Dopage - Doping. Dann doch lieber Fußball, dachten sich die Franzosen, dort ist dieses Wort noch nicht derart in Mode gekommen. Die französische Fußball-Nationalmannschaft tut durch erfolgreiche Darbietungen das ihre, um das Interesse der Landsleute auf sich zu konzentrieren. "Uff, merci Zidane!" atmet die Zeitung "La Nouvelle Republique" auf ihrer Titelseite schriftlich auf. Eine Nachricht wie die Rückkehr von Laurent Jalabert in den Kreis der Tourfahrer rückt hinter den Erfolgen der Fußballhelden ins Kleingedruckte.

Am Sonntag wird Frankreich sogar ein neues Schauspiel erleben. Die Tour rollt auf ihrer zweiten Etappe 194 Kilometer von Futuroscope nach Loudun, und die Formel 1 rast beim Großen Preis von Frankreich in Magny-Cours im Kreise. Doch beide Spektaktel geben den Franzosen nur ein müdes Vorspiel ab. Ihre Augen richten sich in die Niederlande, wo in Rotterdam ab 20 Uhr die Mannschaft von Roger Lemierre das Double, Weltmeister- und Europameistertitel, holen kann. Allez Zidane! Wer ist Virenque?

Was aber kann die Tour de France gegen den Popularitätsverlust im eigenen Lande tun? Eine Maßnahme ist bei der aktuellen Rundfahrt zu besichtigen. Die 18. Etappe führt von Lausanne nach Freiburg und das dürfte auch die Lösung des Problems sein. In Zukunft muss die Tour de France durch Deutschland führen. Dort fehlt die Konkurrenz. Von der dortigen Fußballnationalmannschaft droht jedenfalls keine Gefahr.

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