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Sport: Tour de France: Wieder ein Jahr überlebt

Die Geschichte vom "Amerikaner in Paris" wiederholt sich immer wieder. Nach dem Tänzer Gene Kelly und dem dreimaligen Sieger Greg Lemond nun also zum zweiten Mal Lance Armstrong.

Die Geschichte vom "Amerikaner in Paris" wiederholt sich immer wieder. Nach dem Tänzer Gene Kelly und dem dreimaligen Sieger Greg Lemond nun also zum zweiten Mal Lance Armstrong. Letztes Jahr hatte der Texaner als Sieger über den Krebs die Tour de France gewonnen und die ganze Welt mit seinem Jahrhundert-Comeback bewegt. Diesmal war die überlebte Krankheit nicht mehr die "big story" - sehr zu seinem Bedauern. Lance Armstrong hat diesmal nur Marco Pantani und Jan Ullrich besiegt, seine beiden Vorgänger, die 1999 fehlten. So what? Für den 28-jährigen Armstrong aber bedeutet der zweite Triumph bei der Tour "die Bestätigung meines Comebacks" und "ein weiteres Jahr, in dem ich den Krebs überlebt habe". Die Botschaft sei daher dieselbe: "Ich bin weiterhin gesund. Aber meine Gesundheit ist nicht für immer garantiert. Die Tatsache, bei der Tour zu sein, frei vom Krebs, ist immer noch das Wichtigste in meinem Leben. Das also wird stets meine Message sein."

Die gleiche Botschaft, die gleiche Souveränität: Der Siegertyp aus Austin in Texas, willensstark, trainingsbesessen und selbstbewusst, distanzierte seine Herausforderer so deutlich wie seine Gegner (Zülle 7:37) letztes Jahr. Trotz Ullrich, der 6:02 Minuten zurück zum dritten Mal Zweiter wurde, trotz Pantani, der nach den Alpen die Koffer packte. Mit dem italienischen "Piraten" lieferte sich Armstrong nicht nur spektakuläre Duelle auf den steilsten Anstiegen, sondern auch eine verbale Privatfehde. Den Sieg auf der Ziellinie des Ventoux hatte der Träger des Gelben Trikots großzügig dem glatzköpfigen Italiener überlassen, aus Anerkennung für dessen Kampfgeist. "Es war ein Geschenk - und es war ein Fehler", meinte Armstrong und bereute bald die noble Geste.

Das Geschenk an Pantani hat möglicherweise Jan Ullrich um den Sieg in seinem "Heimspiel" gebracht, im Zeitfahren von Freiburg nach Mülhausen. Armstrong nannte Ullrich zwar "einen Gentleman im Rennen, den ich mag". Aber beim "Chronometer" hörte die neue Freundschaft auf. Denn "aufs höchste motiviert", sagte Armstrong, sei er zum Kampf gegen die Uhr - und gegen Ullrich - angetreten. Seit der nicht gedankten Großzügigkeit auf dem Ventoux habe er ein "leeres Gefühl" gehabt und sei von dem Gedanken beseelt gewesen, diese Etappe unbedingt zu gewinnen. "Ohne Etappensieg wäre diese Tour für mich nicht vollkommen gewesen." Letztes Jahr hatte Armstrong alle drei Zeitfahren und die Alpen-Etappe nach Sestriere als Tagessieger beendet.

Mag sein, dass der Ärger über den verschenkten Sieg und die zusätzliche Motivation seine Beine um 25 Sekunden schneller wirbeln ließen in "Jans Hinterhof". Den Grundstein zu seinem Sieg über Ullrich hatte Armstrong bereits auf der ersten Pyrenäen-Etappe gelegt, als er bei Regen und Kälte ("Je schlechter das Wetter, umso besser für mich"), dem Deutschen 3:19 Minuten abnahm. Aber dass der Wundermann auch kein Supermann ist, offenbarte er auf dem letzten Alpenpass. "Da hatte ich eine Krise", bekannte Armstrong. "Ich hatte nichts gegessen. Das war ein Fehler, der mich die Tour hätte kosten können. Es war der härteste Tag in meinem Leben - auf dem Rad."

Jan Ullrich zeigte nach den Rückständen in Hautacam, am Ventoux und nach Courchevel in der dritten Woche, dass er in Bestform Armstrong durchaus ebenbürtig ist. Auf dem letzten Alpenpass nahm der Deutsche dem Amerikaner über eine Minute ab und wurde Zweiter. Die Schlusswoche brachte Jan Ullrich nicht nur die Einsicht, "ich muss umdenken und die Sache profimäßiger angehen", sondern auch die Erkenntnis: "Lance ist zu schlagen." Die Revanche steigt nicht erst im Juli 2001. Ihren Showdown haben Armstrong und Ullrich bereits für die Olympischen Spiele angekündigt. Beide nannten das Zeitfahren als ihre nächste große Herausforderung.

Hartmut Scherzer

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