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Sport: Traber zu verschenken

Was die Derbywoche in Mariendorf tut, um Aufmerksamkeit zu erlangen

Berlin - Besitzer eines Trabrennpferdes zu sein, ist nicht unbedingt ein Zustand ewiger Freude. Zumindest was die Finanzierung betrifft. Die Prämien, die an die schnellsten Sulkygespanne ausgeschüttet werden, sind auf den deutschen Bahnen in den letzten Jahren geschrumpft, und die Kosten für die Anschaffung und das Training eines edlen Pferdes sind enorm. Auf den Jährlingsauktionen werden fünf- bis sechsstellige Beträge für Traberhoffnungen gezahlt, von denen sich manche nie für den Rennbetrieb qualifizieren. Schon viele Erwartungen der Besitzer sind mit den ersten Schritten des Pferdes auf der harten Sandpiste zerplatzt.

Der Besitzer des Hengstes Pat, der am Sonntag (Beginn 12.30 Uhr) beim Auftakt der großen Mariendorfer Derbywoche im zehnten Rennen an den Start geht, wird diese Sorgen nicht haben. Auch wenn er das Gefühl hundertprozentiger Zufriedenheit nur für zweieinhalb Minuten genießen darf. Denn er trägt überhaupt kein Risiko, sondern er kommt aus dem Kreis der mindestens 10 000 Zuschauer, die am Schultheiss-Renntag erwartet werden. Mariendorfs Traber-Boss Ulrich Mommert persönlich stellt seinen zuverlässigen Dauerläufer Pat für die publicityträchtige Aktion „Besitzer für einen Tag“ zur Verfügung: Nach dem zweiten Rennen findet eine Auslosung statt, der Gewinner erhält dann den Geldpreis, den Pat drei Stunden später auf der Piste erzielt. Im Falle eines Sieges sind das immerhin 1250 Euro. Pferdestreicheln vor dem Start und Besprechung der richtigen Taktik inbegriffen. Uli Mommert sagt: „Für mich ist Pat der klare Favorit!“

Es gibt aber noch andere Besitzer, die unter der schwierigen finanziellen Situation im Trabrennsport nicht zu leiden haben. Und dies nicht nur für einen Tag. Seit über zehn Jahren gehört das Stallteam von Andreas Hahn zu den erfolgreichsten in Berlin. Seine zwanzig Traber bestreiten ihre Einsätze europaweit und bringen die Rechnung durch spektakuläre Erfolge ins Plus. Der Wallach Chinas As ist der Beste von ihnen. Nach seinem beeindruckenden Sieg auf der französischen Bahn Le-Croisé-Laroche soll der sechsjährige Fuchs nun auch das Mariendorfer Charlie-Mills-Memorial um die Dotation von 27 000 Euro gewinnen.

Vor Gegnern wie dem Weltmeister Heinz Wewering und den Brüdern Gerd und Helmut Biendl hat Andreas Hahn zwar Respekt, aber er fürchtet sie nicht. Denn in dem belgischen Catchfahrer Dominik Locqueneux, der gestern den mit 140 000 Euro dotierten Prix Lagardere auf der Rennpiste in Paris-Vincennes gewann, hat er einen Sulkystar für sein Pferd verpflichtet. Andreas Hahn sagt : „Im Vorlauf wird Chinas As keine Probleme haben, im Finale hängt dann alles vom Startplatz ab.“ Das Tempo der anderen Pferde fürchtet er nicht. „Die Konkurrenten sollen ruhig Gas geben, das kommt meinem Traber nur entgegen.“

Das Charlie-Mills-Memorial am Sonntag eröffnet eine ereignisreiche Rennwoche. Zirka 800 000 Euro Prämie werden in den rund 65 Rennen der fünf Mariendorfer Veranstaltungstage ausgeschüttet. Den Höhepunkt bildet dabei das 109. Deutsche Traber-Derby am 1. August. Auch in der Sonderverlosung für die Zuschauer werden neue Maßstäbe gesetzt. Reisen und Autos gibt es zu gewinnen. Man muss eben nicht gleich ein Besitzer sein, um beim Trabrennen Glück zu haben. Manchmal genügt auch das Zuschauen.

Heiko Lingk

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