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Wie wird der Kuchen künftig verteilt in der Fußball-Bundesliga?

© Ringelstein, Kuchen: Weimershaus

Traditionsvereine begehren auf: Wie verteilt die Bundesliga das neue Fernsehgeld?

In der neuen Saison explodiert das Fernsehgeld. Schon kommt Streit auf, wie der schöne Kuchen künftig verteilt und der Wettbewerb gerechter wird. Traditionsvereine fordern mehr für sich und weniger für die Plastikklubs.

Wo sonst an der Bürotür ein Namensschild hängt, klebt an der von Andreas Rettig ein A-4-Blatt mit der Disney-Figur „Schweinchen Schlau“. Die Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Fußballzweitligisten FC St. Pauli haben das liebevoll für ihren Vorgesetzten angefertigt und alle unterschrieben. Eine gewisse Urheberschaft dafür darf aber Rudi Völler für sich in Anspruch nehmen. Der Sportdirektor von Bayer Leverkusen betitelte Rettig in aller Öffentlichkeit so.

Hintergrund ist ein kleines Wortgefecht, das Rettig als St.-Pauli-Boss vor einem Jahr ausgelöst hat, als er vorschlug, von Konzernen oder Mäzenen alimentierte Klubs von der Verteilung künftiger Fernsehgelder komplett auszuschließen. „Das ist ein typischer Rettig, ein völlig unnötiger Antrag“, polterte Völler. Und einmal auf die Palme gebracht, dröhnte er in Richtung Rettig: „Er macht ein bisschen auf Schweinchen Schlau.“

Seit klar war, dass der neue Fernsehvertrag die Milliardengrenze durchbricht, ist die deutsche Fußballwelt aus den Fugen geraten. Im Sommer hat die Deutsche Fußball-Liga (DFL) beim Verkauf der Fernsehrechte für die vier Spielzeiten ab 2017 ein Rekordergebnis erreicht. Zusammen mit der Auslandsvermarktung stehen den 36 deutschen Profiklubs der Bundesliga und Zweiten Liga rund 1,5 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung. Doch wie die gigantischen Medienerlöse künftig verteilt werden sollen, ist völlig offen. Seit Wochen wird diskutiert und gestritten. Wer kriegt was? Und wofür?

Thema mit Sprengkraft

Der Verteilungskampf ist ein Thema mit Sprengkraft, wie auch Rettig zu spüren bekam. Der 53-Jährige ist einer der wenigen, der sich aus der Deckung wagte und abgewatscht wurde. Fakt ist, dass die neuen Milliarden das bisher geltende Solidarprinzip im deutschen Fußball auf eine harte Probe stellen. Und so trauen sich andere gar nicht hervor. Um sich nicht zu beschädigen oder ihre Argumente zu verbrennen.

Mehrere Gesprächspartner sagten dem Tagesspiegel, dass sie öffentlich gar nichts sagen wollen. Man habe äußerste Verschwiegenheit vereinbart.

Was sich bisher abzeichnet, ist, dass alle Interessensgruppen das bisherige Solidarprinzip grundsätzlich beibehalten wollen. Nur wie solidarisch will jeder konkret sein? Denn es geht um dramatisch mehr Geld, ein Plus von rund 85 Prozent.

Es geht darum, eine Balance zu finden, die die Interessen aller Beteiligten möglichst gleichstark berücksichtigt und nicht der Attraktivität der beiden Ligen schadet. Entscheidend für die Akzeptanz wird sein, die Kluft zwischen den Vereinen und die der Ligen nicht noch größer werden zu lassen, als sie jetzt schon ist.

Derzeit werden im deutschen Profifußball 65 Prozent der TV-Einnahmen als eine Art Sockelbetrag (Startgeld) ausgeschüttet. Das sind rund 20 Millionen Euro für jeden Bundesligisten und gut fünf Millionen für jeden Zweitligisten. Die restlichen 35 Prozent der nationalen Erlöse werden auf der Basis der Platzierungen in den Abschlusstabellen der vergangenen fünf Spielzeiten gezahlt.

Die Vereine der Zweiten Liga etwa wollen weiter 20 Prozent der Erlöse, was sich nicht durchsetzen wird. Sie werden etwas mehr erhalten. Auf der anderen Seite pochen die deutschen Großklubs wie Bayern München und Borussia Dortmund auf ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. Sie verweisen auf die Premier League, die dank eines noch höher dotierten TV-Vertrags den Transfermarkt mit irrsinnigen Summen überflutet.

Hertha BSC ist dabei im "Team Marktwert"

Bereits im Januar haben sich die Traditionsvereine Werder Bremen, Eintracht Frankfurt, Hamburger SV, Hertha BSC, 1. FC Köln und VfB Stuttgart zum „Team Marktwert“ zusammengeschlossen. Diese Klubs sind so etwas wie der gute alte Mittelstand der Liga, über den die Zeit hinweggezogen ist. Sie alle waren schon mal größer und bedeutsamer. Eine verfehlte Einkaufspolitik oder chaotisches Management haben sie ins Trudeln geraten lassen, erst im Sommer ist der VfB Stuttgart abgestiegen. Aber auch der Druck von außen auf sie hat noch einmal zugenommen, seit neben den Werksklubs aus Leverkusen und Wolfsburg inzwischen auch die Neureichen aus Sinsheim und Leipzig Ernst machen. Auch deshalb stand Rettig nicht allein, als er forderte, die sogenannten Retortenklubs herauszunehmen aus der Solidargemeinschaft.

Das „Team Marktwert“ möchte nun, dass bei der künftigen Geldverteilung nicht allein sportliche Kriterien herangezogen werden. In allen anderen großen Ligen Europas werden neben dem sportlichen Abschneiden auch andere Parameter wie Fan-Aufkommen, Stadiongröße und Umsatz in einer Größenordnung von 20 bis 50 Prozent berücksichtigt. Italiens Serie A honoriert beispielsweise sogar die Standortgröße. Allein fünf Prozent richten sich nach der Größe der Stadt, aus der ein Klub stammt, „eine alberne Kennzahl“, sagt Alexander Wehrle dem Tagesspiegel. Wehrle ist Geschäftsführer des 1. FC Köln.

Das „Team Marktwert“ habe alle anderen Vereine zur Mitarbeit eingeladen, um Faktoren zu untersuchen, die „werttreibend für die Marke Bundesliga sind“. Für Wehrle profitiere die gesamte Liga von Vereinen, die eine gute Markenstärke haben und einen gewissen Reiz ausstrahlen. Die TU Braunschweig, die seit 2012 jährlich eine Studie über die Markenlandschaft im deutschen Profifußball erstellt, hält eine Orientierung an den TV-Einschaltquoten für „einen sehr robusten Indikator“. Die Analyse der Einschaltquoten zeigt, dass etwa ein Spiel Ingolstadt gegen Augsburg bundesweit deutlich weniger Menschen interessiert als ein Spiel Frankfurt gegen Köln.

Am Donnerstag entscheidet die DFL

Es geht also um eine moderne und gerechte Verteilung der künftigen Fernsehgelder. Am Donnerstag will die DFL einen Verteilerschüssel bekannt geben, das neunköpfige Präsidium entscheidet. Der Druck ist gewaltig. Die Vereine brauchen Planungssicherheit, sie müssen wissen, wie viel Geld ihnen für die Saison 2017/18 zur Verfügung steht, bis nächsten März müssen sie die Lizenzierungsunterlagen einreichen.

Doch welche Kriterien lassen sich dafür objektivieren? Einige, die auf den ersten Blick logisch erscheinen, stellen sich als unbrauchbar heraus. In Frankreich beispielsweise wird die Anzahl der Fans eines Klubs bei Auswärtsfahrten honoriert. Doch das ist ein Kriterium, das manipulierbar ist. Was, wenn ein Klub seinem Anhang regelmäßig Bus- oder Zugreisen zum nächsten Auswärtsspiel spendiert? Auch auf dem Feld der Social-Media-Aktivitäten eines Klubs werden kreative Ideen nicht lange auf sich warten lassen.

Interessanterweise halten sich die deutschen Großklubs derzeit dezent zurück. Was daran liegen könnte, dass diese Vereine prominent mit jeweils einem Mann im DFL-Präsidium vertreten sind, das über die Verteilung bestimmt. FC Bayern durch Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen, der BVB durch Vereinspräsident Rauball und Schalke durch Geschäftsführer Peter Peters. „Gegen die Interessen der großen Drei wird sich nichts durchsetzen lassen“, sagte ein Bundesligamanager, der nicht genannt werden will. Schweinchen Schlau war es nicht.

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