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Peter Stöger trainiert seit Juli 2013 den 1. FC Köln und führte den Klub zurück in die Bundesliga. Zuvor gewann der österreichische Ex-Nationalspieler mit Austria Wien das Double, 2006 als Sportdirektor, 2013 als Trainer.

© dpa

Trainer des 1. FC Köln im Interview: Peter Stöger: "In Köln ist immer Karneval"

Die Sensation der Saison: Keine Sensationen beim 1. FC Köln! Trainer Peter Stöger erzählt im Interview mit dem Tagesspiegel, wie er mit Spaß dem Klub neuen Ernst brachte - und wie er die Arbeit von Hertha-Trainer Pal Dardai bewertet.

Herr Stöger, Sie tragen ja eine schwarze Brille. Wo ist denn das rot-weiße Gestell?

Das trage ich meistens bei Spielen. Ich habe mehrere Brillen und da einiges angesammelt. Ein Freund von mir aus Wien ist Optiker und hat mir zu jedem Verein, wo ich mal war – und das waren doch schon ein paar – Brillen in den Klubfarben gemacht. Das ist echt witzig. Aber ich wusste nicht, ob ich die rote bekomme.

Warum nicht?

Er ist Fan von Austria Wien und war ziemlich enttäuscht, als ich vor zwei Jahren gegangen bin. Aber er hat mir eine Brille geschickt und die trage ich auch gerne. Rot-Weiß sind natürlich die Farben des 1. FC Köln, aber auch von Österreich.

In Köln sind bunte Outfits populär, gerade an Karneval, wo Sie sehr präsent sind. Gab es so etwas in Ihrer Heimat Österreich?

Nein, so eine Kultur gibt es bei uns nicht. Außerhalb von Wien gibt es in einigen Gemeinden schon Karnevalsfestivitäten, aber das reduziert sich auf den Faschingsdienstag. Da ist in Köln eigentlich schon alles vorbei. Dafür ist hier das ganze restliche Jahr Karneval (lacht).

War das ein Kulturschock für Sie, bei Karnevalsfeiern als FC-Trainer mitzumachen?

Es war schon extrem, diese Menschenmassen auf den Straßen und alles bleibt friedlich. Das hat richtig Spaß gemacht, da war ich froh, dass wir entschieden haben, mitzumachen. Als ich hergekommen bin, saßen wir mit Geschäftsführung und Vorstand zusammen und wir waren alle der Meinung, dass man das nicht trennen kann. Karneval ist hier ein Kulturgut. Klar kann es sein, dass du vor dem Rosenmontagszug verlierst und die Leute die Kamelle auf den Wagen zurückwerfen. Als Verein musst du dazu stehen, in guten und schlechten sportlichen Zeiten.

Trotzdem passte es zwischen Österreichern und Kölnern. Sie haben sich vorab beim früheren FC-Torjäger Toni Polster und beim ehemaligen Fortuna-Trainer Hans Krankl erkundigt. Was haben sie Ihnen gesagt?

Dass die Leute ziemlich offen sind, aber auch sehr direkt. Da muss man manchmal schon ein dickes Fell haben. Aber wenn man sich privat nicht wohlfühlt in Köln, macht man selbst was falsch. Das kann ich bestätigen. Die Leute haben mich überhaupt nicht gekannt, als ich herkam, vielleicht vorher mal gegoogelt, aber waren positiv und unterstützend. Das hat mir vom Start weg gutgetan.

Passt Wiener Schmäh zum Kölner Humor?

Ich glaube schon, dass ich einen einigermaßen guten Witz habe, ein bisschen hintergründig und zynisch vielleicht. Man kann Spieler kritisieren, indem man sie persönlich unter der Gürtellinie angreift. Das mache ich nie. Ich verpacke Kritik lieber in einem Witz. Das war anfangs nicht so einfach für die Jungs zu verstehen, mittlerweile haben sie ein Gespür dafür.

An der Kabine hing ein Zettel mit österreichischem Fußballvokabular. Zum Beispiel?

Wir haben gefordert, die Spieler sollen die erste Stange anlaufen. Hier heißt das Pfosten, in Österreich nennt man so einen nicht ganz so intelligenten Mensch. Es entwickelt sich. Ich verstehe Spaß, das wissen die Spieler. Mir ist das Mittelding wichtig, dass wir konsequent an einer Übung arbeiten und in der Trinkpause hätte ich es gerne wieder lustig. Wir haben das Privileg, einen tollen Job zu haben. Das muss nicht immer ernst sein.

Es gibt einen alten Spruch. Deutsche denken: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Österreicher denken: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.

Mir ist Sport sehr wichtig, die Zielsetzung, dass wir in der Liga bleiben, weil ich weiß, was das für Stadt und die Leute hier bedeutet. Aber mir ist auch klar, dass es weitaus ernstere Sachen gibt, als ob wir auf Platz 12, 13 oder 15 stehen. Ich versuche jedem klarzumachen, dass das, was wir erleben, etwas Besonderes und auch wertzuschätzen ist.

Köln wirkt in der Außendarstellung und in der Spielweise derzeit seriös wie selten. Lässt sich Ernst durch Spaß erreichen?

Das widerspricht sich deswegen nicht, weil die Arbeit im Training schon mit Spaß verbunden ist, aber wir hochkonzentriert sein müssen, um unsere Leistung abzurufen. Um den Verein in der Bundesliga zu etablieren.

Ist Ernsthaftigkeit schwer in Kölns Umfeld?

Nichts ist leichter in Köln, als dass du die ganze Woche riesiges Theater hast. Zwei, drei Aussagen und du hast Stress und Klamauk pur in dieser Stadt. Man muss ein bisschen gegensteuern, aber auch die Euphorie des Umfeldes abfärben lassen auf uns. Die Arbeit sollte aber solide sein.

Peter Stöger trainiert seit Juli 2013 den 1. FC Köln und führte den Klub zurück in die Bundesliga. Zuvor gewann der österreichische Ex-Nationalspieler mit Austria Wien das Double, 2006 als Sportdirektor, 2013 als Trainer.
Peter Stöger trainiert seit Juli 2013 den 1. FC Köln und führte den Klub zurück in die Bundesliga. Zuvor gewann der österreichische Ex-Nationalspieler mit Austria Wien das Double, 2006 als Sportdirektor, 2013 als Trainer.

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Wie sieht solide Arbeit aus in Köln?

Wir sind noch nicht in der Lage, Spektakel zu veranstalten. Bei uns gibt es nicht die herausragenden Einzelspieler, die permanent in den Medien stehen. Was uns auszeichnet, ist die Gruppe. Wenn die Gruppe der Star ist, ist das nicht wahnsinnig spektakulär, aber zielorientiert.

Peter Stöger über Ernst Happel und eine Rückkehr von Lukas Podolski

Ihr Ex-Trainer Ernst Happel sagte, Sie hätten sich als Spieler zu viel Druck gemacht.

Wenn man Ernst Happel gekannt hat, ist das eine riesige Auszeichnung, sonst hätte er gesagt, der kann überhaupt nicht kicken. Ich habe mir angeeignet, dass man zielstrebig arbeiten muss, aber Fußball ein Spiel ist, das Spaß machen soll. Das ist immer schwieriger, das Spiel wird immer laufintensiver und von der Taktik geprägt. Der Spaßfaktor sollte da sein, das versuche ich mitzugeben. Unsere Gesellschaft wird immer erfolgsorientierter, von klein auf, das macht es schwieriger, die Mischung zu finden aus dem, was du wirklich investieren musst, und dabei nicht zu vergessen, dass es ein Spiel ist.

Sie waren 2006 als Sportdirektor Meister in Wien, gingen dann als Trainer in die Dritte Liga. Hat das Ihren Blick verändert?

Es hat mir gutgetan. Ich bin demütig, was es in Köln für Möglichkeiten gibt. In der österreichischen Regionalliga war das Budget klein, es gab keine Kohle, ich habe nebenbei als Fernsehanalytiker gearbeitet. Wenn man das Training ansetzen muss, wenn die Jungs von der Arbeit kommen, sich fragt, ob es dann Licht gibt oder das Warmwasser bezahlt ist, damit sie duschen können, dann weiß man alles hier wertzuschätzen. Wir leben im Fußball in einem privilegierten Bereich, das versuche ich zu genießen. Aber auch etwas zu investieren, um dieses Level zu bestätigen oder gar anzuheben.

Sie arbeiten mit einem Soziologen zusammen. Wie hilft der Ihnen und dem Team?

Ich glaube, dass man sich nicht auffressen lassen darf vom Fußball. Das funktioniert nur mit intaktem Umfeld, Leuten, mit denen man sich austauschen kann. Werner Zöchling ist ein bisschen Außenstehender und hat einen besonderen Blick. Er ist nicht nur für die Einzelspieler da, wenn sie ihn brauchen, auch für mich. Du bekommst Feedback und nimmst etwas auf. Das ist in einem Umfeld wie dem Profifußball ganz wichtig.

Wie oft sind Sie in Köln schon gefragt worden, wann Lukas Podolski  zurückkehrt?

Sehr oft.

Wie gehen Sie damit um?

Es ist schwierig. Ich finde es interessant und witzig, aber muss aufpassen, weil ich weiß, welchen Stellenwert Lukas in Köln hat. Ich frage mich nur, ob die Leute auch wirklich einordnen können, welche Größenordnung der FC momentan hat und in welcher der Lukas unterwegs ist aufgrund seiner Qualität und Karriere.

Wie oft werden Sie auf den schlafenden Riesen und Europapokal angesprochen?

Auch schon immer wieder. Der Poldi ist immer ein Thema, die erste Bundesliga-Meisterschaft, der Europacup als Szenario. Aber ich glaube, je öfter man erzählt, dass Köln in den letzten 20 Jahren nie besser als Bundesligaplatz zehn war, desto mehr Leute sagen: Lasst sie in Ruhe arbeiten. Aber die Euphorie darf man den Menschen nicht nehmen, so begeisterungsfähig sie im Karneval sind, sind sie es beim FC. Ich verstehe auch, dass es da nicht so sexy ist zu sagen: Wir werden 15. Sie sollen ruhig träumen, aber verstehen, dass unser Weg nur über kleine Schritte funktioniert.

Aber glauben Sie, dass die Zuschauer auf Dauer auch ihren Spaß daran haben? 

Dir kann der Spaß nicht abgehen, wenn du Dortmund, Bayern, Schalke oder Gladbach im Stadion hast. Wir müssen uns Jahr für Jahr in der Bundesliga etablieren, damit wir irgendwann einmal an denen kratzen können. Aber das braucht Zeit, auch weil in der Vergangenheit vielleicht Hurrafußball gespielt wurde, der aber nicht zielorientiert war.

Fans und Trainer wie Roger Schmidt kritisieren Ihre defensive Spielweise. Stört Sie das?

Damit kann ich gut leben. Wenn ich mein Leben lang so Fußball gespielt hätte, müsste ich mir was überlegen. Wir hätten schon unsere Ideen, wie wir auch anders spielen könnten. Aber dass wir als Aufsteiger, wie Ernst Happel immer so schön gesagt hat, „Hollywood spielen“ und nur fünf Punkte hätten, da wäre der Spaß auch vorbei. Es wäre unfair, mehr von der Mannschaft zu verlangen, als sie momentan umsetzen kann.

Können Sie mitfühlen mit Pal Dardai, der in Berlin auch zwischen dem Anspruch der Stadt und der Aufgabe bei Hertha arbeitet?

In der Situation, in der Pal Dardai die Hertha übernommen hat, kann man ihm nicht vorwerfen, wenn er keinen Hauruckfußball spielt, der Leute begeistert. Sein Ziel ist es, über Kompaktheit Punkte zu holen, um vielleicht im nächsten Jahr in eine andere Richtung zu gehen. In so einem Fall ist es wichtig, dass die Mannschaft Spaß hat, aber nüchtern punktet.

Wie viel Spaß machen Sie mit? Einer Boulevardzeitung gaben Sie ein Sauna-Interview.

Solange ich nicht das Gefühl habe, ich muss mich am nächsten Tag übergeben, mache ich auch Sachen mit. Weil ich aus meiner Zeit als Zeitungskolumnist weiß, wie schwierig es ist, gerade in einer toten Phase die Seiten vollzukriegen. Gar nicht mit dem Hintergedanken, dass ich dann etwas gut hätte. Wenn du Verständnis aufbringst, kommt auch Verständnis retour. Das bekommen wir ganz gut hin, ohne dass wir Kölscher Klüngel wären.

An der Seitenlinie wirken Sie sehr ruhig. Leben Sie da bewusst Ernst vor?

Ich möchte einfach keine Situation verpassen. Selbst wenn wir ein Tor erzielen, muss ich schauen, ob wir nicht alle elf in der Eckfahne feiern und der Gegner schießt aus 50 Meter auf das leere Tor. Logisch, dass ich manchmal im Boden versinken oder eine Stadionrunde laufen möchte. Aber wenn ich Situationen verpasse, weil ich mit mir selbst beschäftigt bin und meinen Jungs nicht helfen kann, dann habe ich in meinem Job versagt.

Haben Sie selbst noch Spaß am Spiel?

Es ist schon anstrengend, ich bin danach ziemlich erledigt, weil ich die Konzentration hochhalten muss. Nicht, weil ich wie andere Kollegen Meter an der Linie mache. Aber Spaß habe ich immer, den wird mir auch niemand nehmen, solange ich im Fußballgeschäft unterwegs sein kann.

Das Gespräch führte Dominik Bardow.

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