zum Hauptinhalt
Christoph Daum (l.) und Felix Magath.

© dapd/dpa

Trainer-Duelle: Winnetou beschimpft Old Shatterhand

Mit Christoph Daum und Felix Magath trafen am Sonntag bei der Bundesligapartie zwischen Wolfsburg und Frankfurt zwei extravagante Trainer aufeinander. Es ist nicht das erste Duell, bei dem die Übungsleiter wichtiger sind als ihre Spieler. Wir erinnern uns.

Heute spielt Wolfsburg gegen Frankfurt, es geht um wichtige Punkte im Kampf gegen den Abstieg aus der Bundesliga. Doch wichtiger als die 22 Herrschaften auf dem Rasen erscheinen die beiden, die am Spielfeldrand sitzen oder stehen oder hüpfen und dabei brüllen. Das Duell zwischen den Trainern Felix Magath und Christoph Daum prägt dieses Finale des 28. Bundesliga- Spieltages. Für Magath ist es nach der Rückkehr zum VfL Wolfsburg das erste Heimspiel, für Daum die Premiere mit der Eintracht. Aus gegebenem Anlass ein Rückblick auf Duelle unter Trainern, die oft größere Aufmerksamkeit erfuhren als die von ihnen angeleiteten Fußballspieler.

Mourinho gegen den Rest der Welt

Kein Trainer der Neuzeit hat die Kunst der Selbstinszenierung zum Wohle seiner Mannschaft so perfekt inszeniert wie der Portugiese José Mourinho, der mal ganz klein als Dolmetscher von Bobby Robson beim FC Barcelona begann. Mourinho hat noch jeden ihm gefährlich erscheinenden Trainer attackiert, dabei alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen und seinen Spielern Freiräume für Kopf und Beine verschafft. Als er 2004 den bis dahin notorisch erfolglosen FC Chelsea übernahm, teilte er mit, dass „Chelsea nun endlich auch einen guten Trainer hat“. Arsenals Arsène Wenger nannte er einen von Neid besessenen Psychopaten („Er spricht ständig von uns, es geht nur um Chelsea, Chelsea, Chelsea, Chelsea“), Manchester Uniteds Alex Ferguson verdächtigte er der Kungelei mit dem englischen Verband und Barcelonas Frank Rijkaard der Schiedsrichter-Bestechung. Auf seiner nächsten Station bei Inter Mailand stellte er Romas Claudio Ranieri als weinerlichen Trottel hin. Kein Trainer ist unter seinen Kollegen so unbeliebt wie José Mourinho, aber zugleich so beliebt unter seinen Spielern. Der Schwede Zlatan Ibrahimovic etwa behauptete gerade erst: „José Mourinho hat mich so motiviert und angestachelt, für ihn hätte ich rausgehen und töten können.“

Daum gegen Heynckes

Lange vor seiner Odyssee über Leverkusen und die Türkei nach Frankfurt hat Christoph Daum einen Meilenstein gesetzt, was publikumswirksame Fehden unter Berufskollegen betrifft. Es war eine höchst einseitige Schlammschlacht, die der damals 35-jährige Daum in der Saison 1988/89 anzettelte, um seinen 1. FC Köln im Duell mit dem FC Bayern voranzubringen. Sein Gegner war der im öffentlichen Auftritt unbedarfte Jupp Heynckes, der nur Fußball im Sinn hatte und den Attacken seines jungen Kollegen hilflos-irritiert ausgeliefert war. Daum sagte über Heynckes, er könnte Werbung für Schlaftabletten machen, die Wetterkarte sei interessanter als ein Gespräch mit ihm. Und: „Nach dem Sieg gegen Inter Mailand ging es ihm mal für ein paar Stunden besser, da war eine Hirnwindung mehr durchblutet. Im Grunde genommen ist er völlig kaputt.“ Beim Showdown im „Aktuellen Sportstudio“ rechnete Bayerns Manager und Heynckes’ Freund Uli Hoeneß mit Daum ab. Als der konterte, er lasse sich nicht vom Weg abbringen, entgegnete Hoeneß: „Am nächsten Donnerstag ist dein Weg zu Ende.“ An besagtem Donnerstag siegten die Bayern 3:1 in Köln und feierten den vorzeitigen Gewinn der Meisterschaft.

Wenger gegen Ferguson

Alex Ferguson ist, im Nachklang zweier später Tore gegen den FC Bayern, von der Queen zum Ritter geschlagen worden, und auch Arsène Wenger gibt gern den kultivierten Gentleman. Dass die Grandseigneurs in Diensten von Manchester United und dem FC Arsenal immer noch Kontakt zur geerdeten Basis des Geschäfts halten, zeigen sie, wenn sie es miteinander zu tun haben. Es gibt kaum schlechtere Verlierer als Ferguson und Wenger. Am deutlichsten wurde das vor, während und nach einer Auseinandersetzung 2004 in Old Trafford. Ferguson eröffnete das Rencontre mit einer Bemerkung über ein paar Arsenal-Spieler, die nach einem Spiel gegen United in der Vorsaison gesperrt worden waren, er nannte sie einen „Mob, der trotz Mord davonkam“. Wenger konterte: „Will er uns an die Wand stellen und erschießen?“ Entsprechend rau ging es auf dem Platz weiter. United siegte 2:0, noch auf dem Weg zur Kabine beschimpfte Wenger Manchesters Stürmer Ruud van Nistelrooy als Betrüger. Ein Wort gab das andere, Wenger und Ferguson standen sich kampfbereit gegenüber, als plötzlich aus Arsenals Kabine Pizzareste durch die Luft flogen, eines traf Ferguson. „Pizzagate“ ging in die Geschichte ein. Vor dem Rückspiel beschimpften sich beide so wüst über die Medien, dass die Londoner Polizei offiziell einen Friedensschluss forderte. Wenn Wenger gebeten wird, etwas Nettes über Ferguson zu sagen, reicht es bestenfalls zu: „Dieser Mann ist mir egal!“

Lattek gegen Rehhagel

Die Abneigung zwischen den beiden deutschen Spät-Rentnern der Branche währt nun schon ein halbes Menschenleben lang. Sie begann Mitte der Siebziger mit einem dieser Veitstänze, wie sie schon der junge Rehhagel gern an der Seitenlinie aufführte. Dieses Mal aber tanzte er direkt vor der Münchner Trainerbank, verzückt über ein Führungstor seiner Offenbacher Kickers, und weil er dazu den einen oder anderen Spruch losließ, machte er sich einen Feind fürs Leben. Bayerns Lattek, auch nicht zurückhaltend, empfand das als Provokation und lässt seitdem keine Gelegenheit aus, über Rehhagel herzuziehen. Er nennt ihn wechselweise verklemmt, komplexbeladen, arrogant und größenwahnsinnig. Im direkten Duell hatte Lattek meist das bessere Ende für sich. Noch heute bezeichnet er es als seinen größten Erfolg, dass er Rehhagels Bremern 1986 nach Michael Kutzops berühmten Fehlschuss noch die sicher geglaubte Meisterschaft abjagte. Auch der höchste Bundesligasieg aller Zeiten ist ein Prestigeerfolg des Udo Lattek über Otto Rehhagel. Das war am letzten Spieltag der Saison 1977/78, als seine Borussia aus Mönchengladbach die aus Dortmund mit 12:0 abschoss. Am nächsten Tag wurde Rehhagel in Dortmund entlassen. Ein Jahr später trat Lattek dort seinen Dienst an.

Klopp gegen Tuchel

Das jüngste Scharmützel unter Trainern ist erst zwei Wochen alt und war zur besten Sendezeit in Dortmund zu bestaunen. Sichtbar irritiert verfolgten 80 000 Zuschauer im Stadion und Millionen vor dem Fernseher, wie sich zwei in die Haare bekamen, von denen man gedacht hatte, sie wären die besten Freunde seit Winnetou und Old Shatterhand. Thomas Tuchel, Mainz, freute sich ausgelassen über den späten Ausgleich und wurde dafür scharf zurechtgewiesen von Jürgen Klopp, ehedem Mainz und dem Klub noch aufs Herzlichste verbunden. Klopp beschwerte sich über die vermeintliche Unsportlichkeit der Mainzer, die den Ball nicht ins Aus gespielt hatten, obwohl ein Dortmunder verletzt auf dem Rasen lag. Noch unangemessener aber empfand er den Jubel auf der Mainzer Bank: „Es war scheißegal, dass da einer liegt!“ Tuchel giftete zurück: „Uns Absicht zu unterstellen ist nicht haltbar.“ Weil das eine, nun, ziemlich akademische Rechtfertigung war, wähnte ein auf Zuspitzungen spezialisiertes, großbuchstabiges Blatt schon ein grundsätzliches Zerwürfnis im Anflug und titelte: „Klopp und Tuchel drehten durch!“ Doch eine Stunde später war alles vergessen, und beim Auseinandergehen versprachen sich Tuchel und Klopp, wenn sie das nächste Mal unentschieden spielen, dann doch bitte 4:4, da müssten sie nicht über ein Tor streiten.

Herberger gegen Nerz

Das vielleicht bizarrste Trainerduell des deutschen Fußballs fand ausnahmsweise ganz ohne Einbeziehung der Öffentlichkeit statt. Sepp Herberger amtierte 1936 noch als Assistent seines Freundes, Trauzeugen und Chefs Otto Nerz. Als es bei den Olympischen Spielen von Berlin schon im Viertelfinale gegen Norwegen vorbei war mit allen Träumen der Nationalmannschaft, und das vor den Augen Hitlers im Poststadion, da erkannte der schlaue Herberger sofort seine Chance. Herberger hat seinem Tagebuch nur wenig über diese Tage anvertraut. Aber man darf wohl davon ausgehen, dass er die offensichtlichen Fehler des Reichstrainers in Sachen Taktik und Aufstellung dezent an die Verbandsspitze weiterleitete. Zum ersten Länderspiel nach Olympia ignorierten ihn die Verbands-Granden und luden zur Betreuung „Herrn Herberger, Duisburg“ ein. Im Mai 1938 gab Nerz auf, er fühlte sich verraten und klagte: „Ich habe eine Natter an meiner Brust großgezogen.“

Zur Startseite