zum Hauptinhalt

Sport: Trainer: Gefährliche Bringschuld. Psychologe Mickler über die Abhängigkeit von einem Trainer

Werner Mickler (48) ist Sportpsychologe an der Sportschuler Köln. Er arbeitet in der Trainerausbildung und kümmert sich um junge Athleten.

Werner Mickler (48) ist Sportpsychologe an der Sportschuler Köln. Er arbeitet in der Trainerausbildung und kümmert sich um junge Athleten.

Herr Mickler, wie kann es passieren, dass ein Sportler abhängig vom Trainer wird?

Das passiert vor allem, wenn man vom Jugendalter an stets den gleichen Trainer hat. Wenn ein Trainer einen Jugendlichen trainiert und ihm auch sonst Sachen abnimmt - etwa in der schulischen Ausbildung oder beim beruflichen Werdegang -, ist die Gefahr groß, dass er zum Übervater wird. Aber das kann auch passieren, wenn Jugendliche ihren Trainer wechseln, wenn sie plötzlich mit einem professionellen Mann arbeiten. Dann schauen sie zu dem auf.

Ist das bei allen Sportlern so?

Nein. Im Mannschaftssport trainieren Jugendliche nur zwei oder drei Mal pro Woche. Bei Individualsportarten wie Turnen wird täglich trainiert, und zwar in kleinen Gruppen. Da entsteht ein viel engeres Verhältnis zwischen Sportlern und Trainern. Hinzu kommt das Alter. Turner oder Eiskunstläufer erreichen ihren Leistungshöhepunkt viel früher als andere Sportler. Die Kinder fangen schon mit sechs Jahren an. Wie sollen die da selbständig sein?

Gerade beim Eiskunstlaufen hat man das Gefühl, dass die Bande sehr eng sind. Wenn die jungen Mädchen nach ihrer Kür auf die Benotung warten und neben ihnen sitzt die Trainerin, sehen sie manchmal aus wie Mutter und Tochter.

Das ist eigentlich ganz normal. Die Trainerin hat einen großen Anteil an der Leistung ihres Schützlings. Sie hat sehr viel Energie in die Läuferin gesteckt, und sehr viel Zeit. Da zittert man auch gemeinsam dem Sieg entgegen.

Und was passiert, wenn die Noten nicht wie erwartet ausfallen?

Wenn die Kampfrichter ein fragwürdiges Urteil fällen, ist das für das Verhältnis von Trainer und Sportler nicht so gravierend. Schlimm wird es erst, wenn der Athlet seine Leistungen aus dem Training im Wettkampf nicht umsetzen kann. Da stellt sich der Betreuer dann die Frage: Wozu habe ich die ganze Zeit geopfert? Viele Trainer werden ja nicht gerade üppig bezahlt. Die machen das, weil sie hoffen, irgendwann wird dieser Einsatz mit einem Erfolg belohnt. Aber wenn der nicht kommt, sind Trainer enttäuscht. Manche haben sich dann nicht mehr unter Kontrolle.

Wann wird der Idealismus eines Trainers zur Bürde für den Sportler?

Das ist eine Frage des Drucks. Auf der einen Seite ist der Athlet, der sich selbst unter Erfolgszwang setzt. Auf der anderen Seite stehen die anderen: die Eltern, die immer zum Training mitgefahren sind und die Sportklamotten gekauft haben. Und natürlich die Trainer, die zur Verfügung standen bei jeder Niederlage und selbst zurückgesteckt haben. Irgendwie wollen alle sehen, dass das Früchte trägt. Für den Athleten ist der Druck von außen immens, er fühlt eine Bringschuld.

Wie kann dem Sportler der Druck genommen werden?

Die Beteiligten sollten wissen, dass es immer noch um den Spaß am Sport geht. Gerade im Kinder- und Jugendbereich sollte das Umfeld nicht versuchen, das Sporttalent schon frühzeitig in halbprofessionelle Strukturen zu zwängen. Falscher Ehrgeiz hilft den Talenten nicht weiter. Die Kinder sind meist selbst ehrgeizig genug. Trainer müssen versuchen, den Druck abzubauen, sie dürfen nicht selbst nervös werden. Vor einem Wettkampf darf der Trainer nicht sagen: "So, jetzt streng dich mal ein bisschen an, jetzt werden wir den anderen mal zeigen, was wir alles gelernt haben." Es wäre viel sinnvoller, wenn es heißt: "Geh einfach raus, zeig, was du kannst. Und hab Spaß dabei."

Aber wenn jemand langsam Erfolg hat, dann ist das mit dem Spaß nicht mehr so leicht ...

Auch das müssen die jungen Sportler lernen. Sie müssen lernen, mit dem eigenen Körper umzugehen. Junge Turner müssen in sich selbst hineinhören und fragen: Kann ich bestimmte Übungen schon machen? Kann ich mich weiter belasten oder muss ich mich schonen? Ein anderes Beispiel ist der Umgang mit der Presse. Wenn ich erste Erfolge habe, muss ich lernen, mit der Öffentlichkeit zu leben. Da muss ich allein entscheiden: Was ist privat und was nicht? Wenn mir das laufend vom Trainer abgenommen wird, falle ich irgendwann auf die Nase.

Wie wichtig ist Gelassenheit im Sport?

Gelassenheit ist der erste Schritt zur Selbstständigkeit. Trainer, die ruhig Blut bewahren, können ihre Sportler auch loslassen. Und das ist wichtig für den Wettkampf. Draußen auf dem Feld oder in der Halle muss der Sportler sowieso alleine entscheiden, da kann ihn der Coach nicht mehr führen. Ein Sportler muss so selbständig sein, dass er mit dieser Situation umgehen kann.

Herr Mickler[dass ein Spor], wie kann es passieren[dass ein Spor]

Zur Startseite