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Sport: Trainer mit Perspektive

Karsten Heine hat sechs Spiele Zeit, um für seine Weiterbeschäftigung bei Hertha BSC zu werben

Berlin - Vermutlich ist Karsten Heine am Mittwoch immer noch derselbe Mensch gewesen wie am Dienstag, aber für seine Umwelt scheint er plötzlich ein anderer geworden sein. Selbst in seinem Viertel wird er nun mit anderen Augen gesehen, Leute, die sonst mal „Guten Tag“ sagen, drängt es zu ausgiebigen Gesprächen, das Telefon steht nicht mehr still, und am Mittwoch hat ihn eine ältere Dame auf der Straße angesprochen: nicht die Person Karsten Heine, sondern den Cheftrainer des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC. „Der Trubel ist ein bisschen größer“, sagt er.

Karsten Heine kennt das natürlich alles schon. Die Bundesliga ist ihm nicht fremd, in allen Nachschlagewerken kann man das überprüfen: 1991 hat Heine die Berliner zum ersten Mal betreut, drei Spiele lang, als vierter Cheftrainer insgesamt in einer lachhaften Saison, die für Hertha auf dem letzten Tabellenplatz endete. Aber an dieser Faktenlage sind nun erhebliche Zweifel aufgekommen, und zwar von Heine selbst. Trainer? „Ich musste damals den Platzhirsch machen, damit wir überhaupt einen Delegationsleiter hatten, der die Dinge ordentlich über die Bühne bringt“, sagt er. Der Abstieg stand schon bei seinem Amtsantritt fest, sein Nachfolger, Bernd Stange, ebenso.

Vor seinem zweiten Bundesligadebüt am Samstag in Bochum ist die Situation für Heine ähnlich – und doch ganz anders. Wieder muss er kurz vor Saisonende einspringen, sechs Spiele sind es diesmal; doch jetzt steckt Hertha noch im Abstiegskampf, und wer den Verein ab dem Sommer trainieren wird, steht ebenfalls nicht fest. Der Nachfolger von Karsten Heine könnte auch Karsten Heine heißen. „Es ist nicht so, dass er von vornherein nur ein Interimstrainer ist“, hat Herthas Manager Dieter Hoeneß bei dessen Vorstellung gesagt. „Wir werden natürlich den Markt sondieren, aber eine Option sitzt hier.“

Die Personalie sagt eigentlich alles über Herthas Entwicklung in der jüngeren Vergangenheit: Vor fünf Jahren wurde dem Verein noch unwidersprochen unterstellt, er denke jetzt ausschließlich in der Kategorie Welttrainer (und bekam dann Huub Stevens); jetzt ist ein stiller Arbeiter aus der eigenen Etappe aussichtsreicher Kandidat. Das muss nicht gegen Heine sprechen. Der hoch verschuldete Verein wird auch in den nächsten Jahren einen Kurs der Bescheidenheit verfolgen müssen. Dazu passt ein bescheidener Trainer besser als einer mit großem Namen, der nur große Erwartungen wecken würde, die sich kaum befriedigen ließen.

Letztlich entscheidet Heine selbst über seinen weiteren beruflichen Werdegang. Spielt Hertha unter seiner Verantwortung erfolgreich, darf er bleiben. Immerhin muss er nicht mit dem Makel vor die Mannschaft treten, nur auf Zeit den Chef spielen zu dürfen. Jürgen Röber ist genau daran in Dortmund gescheitert. Zudem wollte Dieter Hoeneß unbedingt den Fehler vermeiden, der ihm vor fünf Jahren unterlaufen ist: Damals sprang Falko Götz als Interimstrainer für den entlassenen Röber ein, die Mannschaft spielte plötzlich attraktiven Fußball, gewann von dreizehn Spielen neun – und Götz stieg zum Liebling der Massen auf. Trotzdem durfte er nicht Trainer bleiben. Hoeneß hatte für die neue Saison bereits Huub Stevens unter Vertrag genommen.

Zwei Jahre später kehrte Götz zurück. Hoeneß entschied sich damals für das vertraute Gesicht, gegen Ralf Rangnick und einen dritten Kandidaten, dessen Identität Hoeneß erst später preisgab: den Dänen Ove Pedersen von Esbjerg BF. Die Personalie zeigt, dass sich Herthas Manager bei der Trainersuche nicht auf die üblichen Verdächtigen beschränkt. Von den Kandidaten, die der Markt derzeit oder im Sommer hergibt – Magath, Rapolder, Neururer, Röber oder Finke –, sind wohl nur die wenigsten hertha- und hoeneßkompatibel. Die Marktlage spricht eher für Heine. Dass er über den Sommer hinaus bei Hertha bleibt, steht ohnehin fest. Sein Vertrag läuft bis 2008. Fragt sich nur, mit welcher Mannschaft er ihn erfüllen wird: mit den Profis oder mit der U 23.

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