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Sport: Trainerdroge Bundesliga: 64-jähriger Vertreter der Spaßgeneration

Rolf Schafstall log, sagt er, weil alle lügen. Deshalb erzählte er die Geschichte mit den Rosen.

Rolf Schafstall log, sagt er, weil alle lügen. Deshalb erzählte er die Geschichte mit den Rosen. Die wachsen in seinem großen Garten, und geschnitten habe er sie mit viel Freude. Und die Meisen in seinem großen Garten, "die brauchen auch wieder Meisenbällchen". Es habe viel Spaß gemacht, die Bällchen aufzuhängen.

"Ich habe immer wieder erzählt", sagt Schafstall, "wie gut es mir in der Freizeit geht." Dabei hat er in Wirklichkeit gelitten. Nicht wirklich hart, aber doch so, dass es immer wieder Stiche gab. "Natürlich", sagt er, "hat man Entzugserscheinungen. Das gibt bloß keiner zu." Einmal Fußballtrainer, immer Fußballtrainer. Auch wenn einer 64 ist und zuletzt vor zwei Jahren einen Regionalligisten trainiert hat, nach ein paar Wochen rausflog und davor 51 Monate lang auch schon Rosen geschnitten hatte. "Das Feuer", sagt Schafstall, "erlischt nie."

Jetzt ist er wieder ganz nahe dran an der Flamme. So nahe, dass er die ganze Hitze des Gewerbes abbekommt. Rolf Schafstall trainiert den Bundesligisten VfL Bochum. Eigentlich eine unmögliche Mission, weil Bochum ganz tief im Abstiegsstrudel steckt. Und woanders als in Bochum hätte Schafstall wohl auch nie mehr einen Bundesligajob erhalten. Er ist ein Auslaufmodell, einer aus der Garde der alten Haudegen mit ihren Vorstellungen von Pflicht und Ordnung, die eher belächelt als respektiert werden. Sein letzter Bundesligaeinsatz ist zehn Jahre her. Aber Bochum hat er zwischen 1981 und 1985 immer in der Bundesliga gehalten, und 1991 noch mal in einem Feuerwehreinsatz vor dem Abstieg gerettet. Deshalb holte ihn Bochum. Hätte er auch bei einem anderen Bundesligisten angeheuert? "Ich hätte wohl etwas länger überlegt."

Er sagt nicht, dass er froh ist, überhaupt ein Bundesligaangebot erhalten zu haben, er redet, als hätte er eine gewisse Auswahl. Dabei war er fast schon eine Lachnummer, als er vor zwei Jahren bei Dynamo Dresden über die schmutzige Geschäftsstelle und die dreckigen Schuhe der Fußballer motzte. Als er das dann auch noch dem "Spiegel" erzählte und dieser alles abdruckte, war Schafstall seinen Job los. Das anschließende Medien-Donnerwetter prallte an ihm ab, und das sagt viel aus über seine Denkweise. Er ist auf diesen Job, Fußballtrainer, fixiert. Wahrscheinlich betrachtet er ihn als Mission. "Wenn man davon befallen ist, kommt man davon nicht so schnell los", sagt er. "Als ich jetzt wieder begann, hatte ich das Gefühl, nie weg gewesen zu sein."

Eigentlich war er es ja auch nie. Er hatte ja den VfL Bochum. Er saß zwar, bei fast jedem Heimspiel, nur auf der Tribüne, aber vor seinem geistigen Auge gab der Trainer Schafstall lautstark Anweisungen, analysierte das Spiel und machte sich Gedanken über die Aufstellung. "Selbstverständlich", sagt er, "war das so." Und jetzt, jetzt darf er wieder mitspielen im Konzert, jetzt muss er nicht mehr mit großen Augen danebenstehen wie ein Kind, das beobachtet, wie der große Bruder mit dem Skateboard die tollsten Sachen anstellt. "Wenn Sie die Kabinentür öffnen und die Mannschaft zum Spiel schicken, da bekommen Sie eine Gänsehaut."

Der Stress? Die Arbeit? Der Druck? Alles da, aber Schafstall redet darüber beinahe vergnügt. Die Arbeit? "Verlangt einem sehr viel ab." Und "aufreibend" ist sie auch. Man bekommt doch "keine Eingewöhnungsfrist", und "den Kader hat man auch nicht selber zusammengestellt". Und was folgt daraus? Dass es "unheimlich Spaß macht", "dass ich mit großer Freude darangehe" und "dass ich unglaublich gelassen bin".

Das kann er sich erlauben, weil jeder neue Trainer Spieler hat, die sich aufdrängen wollen und weil er eigentlich nichts zu verlieren hat. Außerdem: Was hat sich denn groß verändert in den letzten 20 Jahren? "Es gibt mehr Medien." Aber sonst? "Nicht viel. Da gibt es Schlaumeier, die sagen, die jungen Trainer hätten bessere Trainingskonzepte. Aber der Ball ist immer noch rund und nicht viereckig."

Es stört ihn wenig, dass die Spieler wohl kaum Respekt vor ihm als Person, dem ehemals bekannten Rolf Schafstall haben. Sie loten nur neue Hierarchien aus. Vielleicht bemerkt er es auch gar nicht. Dafür hat Schafstall zu viel Selbstbewusstsein. "Man muss von sich überzeugt sein", sagt er. Das war er schon vor 25 Jahren. Bei seiner ersten Trainertagung saßen Lattek, Cramer, Weisweiler zusammen, die ganzen Trainer-Größen, "und dazwischen der kleine Schafstall". Der hörte zu, aber er dachte auch: "Hör her, Rolf, was die können, das kannst du auch."

Warum sollte er also jetzt Selbstzweifel haben? Er ist 64, er braucht keine "Existenzangst mehr zu haben wie die jungen Trainer". Vor allem aber: Er muss um nichts mehr kämpfen. "Nach dem Saisonende ist in Bochum auf jeden Fall Schluss." Er trägt ein Risiko mit beschränkter Haftung.

Aber wenn er jetzt nicht 64 wäre? Wenn er jetzt ein junger Trainer von 35 wäre, einer, der um seine Zukunft bangt, der um Verträge kämpft? Würde der junge Rolf Schafstall heute wieder Trainer werden, mitmischen in dieser eiskalten Branche, die in den letzten Jahren noch kälter geworden ist? Da hätte Rolf Schafstall fast aufgelacht. "Aber hundertprozentig", sagt er, "hätte ich das gemacht."

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