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© Jürgen Engler

Trainerentlassung: Dienstag war Tag eins nach Favre

Nach der Übernahme durch Interimstrainer Karsten Heine rücken bei Hertha BSC die Spieler in den Blickpunkt. Und deren Verhalten wurde von Assistenztrainer Harald Gämperle nicht eben in das beste Licht gerückt.

Wenn keiner was sagt, muss Pal Dardai ran. Dardai spielt seit 1997 für Hertha BSC, er hat gute wie schlechte Zeiten erlebt und noch immer die Courage gehabt, sich vor eine Kamera zu stellen und das zu verantworten, was die Mannschaft da gerade angestellt hat, auf dem Fußballplatz und anderswo. Pal Dardai kommt also vom Training, es ist das erste nach der Beurlaubung des Cheftrainers Lucien Favre. „War ganz gut, eine schnelle, spritzige Einheit“, sagt Dardai. Nächste Frage: „Harald Gämperle …“, aber weiter kommt der Fragesteller nicht. Pal Dardai dreht sich weg, denn er mag nicht antworten „auf so eine provokante Frage“, die doch noch gar keine war, sondern erst eine werden wollte.

In Sachen Harald Gämperle mag in diesen turbulenten Tagen niemand zitiert werden. Der vormalige Assistenztrainer hat zum Abschied ein paar Geschichten erzählt, die den Charakter der Herren Fußballprofis nicht ins beste Licht stellen. Von Spielern, die hinter dem Rücken des Trainers Politik machen, die so schlecht spielen, dass man sich schon nach der Motivation dafür fragen müsse. Von Spielern, die Trainer, Verein und Fans im Stich gelassen hätten.

Verrat am Fan ist so ziemlich der übelste Vorwurf, den man einem Berufsspieler machen kann, jedenfalls in den Augen eines Fans. In den Internetforen ist Gämperles wohlkalkulierter Ausbruch nicht besonders gut angekommen, aber eben nur, weil man solche Sachen in der Öffentlichkeit nun mal nicht sagt. Ziemlich viele glauben jedoch, dass Gämperle mit seiner Analyse so unrecht nicht hat. Jedenfalls steht der Vorwurf erst einmal im Raum, und die Spieler wissen, was sie am kommenden Sonntag im Heimspiel gegen den Hamburger SV erwartet, wenn denn auch das Europa-League-Spiel am Donnerstag bei Sporting Lissabon verloren gehen sollte. Deswegen verlassen die Spieler am Dienstagvormittag kollektiv mit verkniffenen Gesichtern den Platz, mal abgesehen von Pal Dardai, aber auch der verliert nach der ersten Frage und dem Versuch einer zweiten die Lust am Rechtfertigen.

Als Letzter kommt Karsten Heine vom Platz. Am späten Montagnachmittag hat er erfahren, dass Herthas zweite Mannschaft im nächsten Oberligaspiel gegen Tennis Borussia ohne seine Betreuung auskommen muss, weil da eine kleine Dienstreise ansteht nach Lissabon. Heine sagt, das sei natürlich alles ganz traurig für Lucien Favre, „er ist wirklich ein großartiger Trainer“. Gerade erst hat er mit ihm geplaudert, vor dem Training in der Kabine, als das alte Trainergespann Abschied nahm von der Mannschaft und seinen Nachfolger einwies in das neues Amt. Karsten Heine ist 53 Jahre alt und hat sich in der Kabine erst einmal vorgestellt. Bei Hertha ist er dafür zuständig, junge Spieler an die Profis heranzuführen, was in der Ära Favre mangels förderungswürdiger Masse nicht so gut gelungen ist. Jetzt springt er zum dritten Mal nach 1991 und 2007 in der Ersten Liga als Cheftrainer ein und weist dabei eine bemerkenswerte Bilanz auf. Alle fünf Heimspiele unter ihm gingen verloren, die vier Auswärtsspiele wurden dagegen sämtlich gewonnen. Für das Spiel am Donnerstag in Lissabon ist er also genau der richtige Mann.

Dass am Sonntag beim Heimspiel gegen den HSV schon der neue Cheftrainer auf der Bank sitzt, ist eher ausgeschlossen. Dass der neue Cheftrainer Karsten Heine heißen wird, wohl auch, so viel hat Manager Michael Preetz schon durchblicken lassen. Heine sagt, darüber mache er sich jetzt gar keine Gedanken, „wichtig ist erst einmal nur Hertha BSC“. Über eventuelle Umbaumaßnahmen in der Mannschaft könne er noch nichts sagen, es sei ja auch noch völlig offen, wer die Reise nach Lissabon überhaupt antreten könne.

„Mal sehen, welcher Spieler am Mittwoch immer noch der Meinung ist, dass er eine Verletzung hat“, sagt ein Mann aus dem Führungszirkel, dessen Name hier aus Gründen des Quellenschutzes unterschlagen wird. Der Brasilianer Cicero und Patrick Ebert fehlen seit dem Pokal-Aus in München, und auch Arne Friedrich hat es nicht möglich machen können zur Trainingspremiere von Karsten Heine. Es schmerzt der Oberschenkel und vielleicht auch der Vorwurf, Herthas Kapitän habe sich nicht allzu sehr bemüht, den dramatischen Absturz der Mannschaft und damit auch den Autoritätsverlust des Trainers aufzuhalten.

Friedrich liegt mit Favre über Kreuz, seitdem dieser ihn zum Finale der vergangenen Saison in den wichtigen Spielen gegen Schalke und Karlsruhe nicht eingesetzt hatte. „Irgendwas bleibt immer hängen“, hat Friedrich damals gesagt, und hängen geblieben ist genau dieser Satz.

In den vergangenen Wochen hat Arne Friedrich, wie die Mehrzahl seiner Kollegen, auf einem Niveau gespielt, wie es sein neuer Trainer aus der vierten Liga kennt. Karsten Heine sagt, er glaube dennoch an die sportliche Qualität, „wir wissen doch, dass die Jungs Fußball spielen können“. Und was ist mit der charakterlichen Eignung? Was sagen Sie zu der Brandrede von Harald Gämperle? Heine überlegt einen Augenblick und wählt die diplomatischste aller Antworten: „Wissen Sie, das habe ich gar nicht mitbekommen.“

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