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Mal was anderes. Bei den Deutschen Meisterschaften schwamm Silke Lippok im 50-Meter-Becken. Sie gewann in Berlin den Titel über 200 Meter Freistil. Zu Hause in Pforzheim trainiert sie in Becken, die 24,5 beziehungsweise nur 16 Meter lang sind. Foto: dpa

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Sport: Training nach dem Bus-Fahrplan

Vize-Europameisterin Lippok ist trotz ungewöhnlicher Bedingungen in die Weltspitze gekommen

Berlin - Silke Lippok würde ja mehr trainieren, wenigstens zwei Stunden am Abend, das wäre eigentlich nötig. Aber da ist die Geschichte mit dem Bus. Wegen des Busses geht es nicht. Rudi Schulz muss abends seinen Bus kriegen, den zum „Pforzheim Bahnhof“. Dort steigt Schulz in den Zug nach Karlsruhe, nach Hause. Wenn er den Bus verpasst, steht der Trainer Schulz da, verlassen in Pforzheim. Ein 71 Jahre alter Rentner.

Aber wenn er ihn bekommt, hat Silke Lippok nur 105 Minuten trainiert. „Und in diese 105 Minuten muss ich 5,5 Kilometer Wasserarbeit pressen. Optimal ist das wirklich nicht“, sagt Schulz.

Früher beginnen können sie auch nicht, andererseits sind diese 105 Minuten Abendtraining Teil der Erfolgsgeschichte der Silke Lippok. Die überraschende Silbermedaille bei der Schwimm-EM 2010 über 200 Meter Freistil, die hat auch damit zu tun, dass die 17-Jährige psychisch ziemlich robust ist, besser gesagt: unbekümmert. „Für mich kann’s bei Wettkämpfen ja nur besser kommen“, sagt sie. Dann deutet sie auf das 50-Meter-Becken mit den modernen Trennleinen in der Berliner Halle an der Landsberger Allee. Dort findet gerade die deutsche Meisterschaft statt.

Rudi Schulz nickt auch zum Becken, aber da schwimmen sich gerade 15 Mann pro Bahn ein. Wellen wie bei einem Schwarm eingekreister Thunfische. „So sieht es bei uns immer aus“, sagt Schulz. „Die Wellen sind so hoch, dass Silke kein richtiges Techniktraining machen kann.“ Und die Uralt-Trennleinen haben noch Korken. Außerdem ist das Becken in Pforzheim nur 24,5 Meter lang. Das größere Becken der Schule. Das Lehr-Schwimmbecken ist nur 16 Meter lang, drei Mal pro Woche trainiert Silke Lippok dort.

Aber die Gymnasiastin ist fünfmalige Junioren-Europameisterin, sie ist am Freitag Deutsche Meisterin über 200 Meter Freistil geworden, ihrer Spezialstrecke und am Samstag in 55,40 Sekunden Vierte über 100 Meter Freistil. „Das geht alles, weil sie weiß, was sie will“, sagt Schulz. „Stimmt“, sagt auch Lippok, „ich bin relativ ehrgeizig.“ Wenn der Trainer nach harten Serien fragt: „Willst du noch 4 mal 50 Meter Freistil oder Lagen schwimmen?“, da antwortet sie: „Freistil“. Für sie ist das anstrengender. „Ich geh’ nicht den bequemen Weg“, sagt sie.

Das gilt für Sport und Schule. Oft legt sie Unterrichtsmaterial an den Beckenrand, das studiert sie dann selbst bei kurzen Pausen einer Serie. Ihr Notenschnitt liegt bei 1,5. Silke Lippok hält auch einen badischen Altersrekord über 800 Meter.

„Sie ruht in sich“, sagt Schulz. „Und sie hat einen sehr guten Muskelapparat.“ Noch reicht das alles, um mit 38 Kilometern Wassertraining in der Woche in der Weltspitze mitzumischen. Aber die Erwartungen steigen, damit steigt auch der Druck auf die 17-Jährige. Ihre Unbekümmertheit, sagt sie, hat sie „noch nicht verloren“, das bestätigt auch der Trainer, aber inzwischen macht sie sich mehr Gedanken über ihre Renntaktik als früher, nun geht sie im Geist wichtige Rennen auch ein paar Tage vor dem Start durch. Früher sprang sie einfach bloß ins Wasser.

Eine örtliche Bank hat sie Anfang 2010 unter Vertrag genommen, da war sie bloß ein lokaler Hoffnungsträger, aber jetzt verhandelt ihr Manager über neue, leistungsbezogene Klauseln. Und ihr Ausrüster schloss einen langfristigen Vertrag mit ihr ab. „Ich hoffe, sie behält ihr Unbekümmertheit“, sagt Bundestrainer Dirk Lange.

Das allein wird nicht mehr lange reichen. „Ab September“, sagt Schulz, „müssen wir intensiver trainieren, sonst geht es schief mit Olympia 2012.“ Täglich Frühtraining, nicht bloß zweimal in der Woche wie jetzt. Und, natürlich, mindestens zwei Stunden Training am Abend.

Beim Badischen Verband hat er jetzt einen Antrag auf Fahrtkostenzuschuss gestellt.

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