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Sport: Trapattoni hält er für ein großes Vorbild

BERLIN .Jede Weltmeisterschaft ist eine Art Fortbildungskurs für Fußball-Lehrer.

BERLIN .Jede Weltmeisterschaft ist eine Art Fortbildungskurs für Fußball-Lehrer.Die "Coupe du Monde" vermittelte Erkenntnisse über die Entwicklung von Spielsystemen, Taktik, Regelauslegungen und nicht zuletzt von begehrten Akteuren in Abwehr, Mittelfeld und Angriff.Wer als Toptrainer Zeit und Muße hate, der saß in Frankreich hin und wieder auf der Tribüne und dachte sich sein Teil.Der 77jährige Heinz Krügel hatte dagegen seinen Platz vorm Fernseher in seinem Bungalow am Grünen Waldsee bei Magdeburg.Sein Traum, mal eine WM vor Ort zu erleben, hat sich nicht erfüllt.Obwohl der Rentner einst der erfolgreichste Klubtrainer der DDR war, der einzige, dem - mit dem 1.FC Magdeburg am 8.Mai 1974 - der Triumph in einem Europacupwettbewerb gelang.Damals hatte Krügels No-Name-Truppe im Kuip-Stadion zu Rotterdam den berühmten AC Mailand 2:0 bezwungen.

Das Ansinnen des Siegercoaches, danach die WM in der Bundesrepublik Deutschland beobachten zu wollen, wurde von der Sportführung "aus Sicherheitsgründen" abgelehnt."Es hieß, die Gefahr der Abwerbung sei zu groß", erzählt Krügel."Die Selbstisolation hemmte denn letztlich auch im Fußball den Fortschritt und verbot praktisch, freiwillig für dieses Land zu sein, weil man gar keine andere Wahl hatte." So hat Heinz Krügel seine Magdeburger Spieler Wolfgang Seguin, Jürgen Pommerenke, Jürgen Sparwasser und Martin Hoffmann nur auf der Mattscheibe sehen können, so wie jetzt Matthäus, Thon oder Klinsmann in seinem Bungalow.

Daß der Osten in den Top-Ligen kaum noch vertreten ist, tut Krügel weh - aber wie der Trend aufzuhalten sein soll, weiß er auch nicht."Geld regiert die Welt, und im Osten sind die Klubs alle arm.Die kommen ja kaum noch zum Luftholen, werden erdrückt von Versicherungen, Prämien, Gehältern.Da ist es folgerichtig, daß wenige überdurchschnittliche Spieler dableiben.Die reichen Vereine im Westen bedienen sich ja auch schon bei den Talenten, die an den Kinder- und Jugendsportschulen weiterhin sehr gut ausgebildet werden."

Seine Mannschaft von 1974, bekundet Heinz Krügel voller Stolz, "die hat in Europa keinen Gegner fürchten müssen." Obwohl, betont er ausdrücklich, "nur Spieler aus dem Territorium rund um Magdeburg im Aufgebot waren".Nichts da mit Einkäufen von Stars aus anderen Klubs, vom Ausland ganz zu schweigen.1966 war Krügel mit Magdeburg in die Oberliga, die höchste Spielklasse der DDR, aufgestiegen.Dreimal wurde er Meister (1972, 1974 und 1975), zweimal Pokalsieger (1969, 1973).Ein Erfolg, der den eigenwilligen Trainer nur begrenzt schützte.1976 wurde er vom Fußballverband geschaßt, unter dem fadenscheinigen Vorwand, die Magdeburger Nationalspieler unzureichend auf ihre Aufgaben vorbereitet zu haben.Zu einem Zeitpunkt, als der 1.FCM Tabellendritter der Oberliga war."Für Trainer in der DDR gab es keine Verträge, und eingesetzt wurden sie nur durch Berufungen.An Abfindungen wie heute war demzufolge nicht zu denken, an weitere Arbeit im Beruf auch nicht.Ich hatte von Stund an ein nicht ausgesprochenes Berufsverbot, konnte nie wieder als Trainer arbeiten."

Statt dessen mußte sich der Mann als "Objektleiter" bei einer Betriebssportgemeinschaft um Reinigungskräfte, Platzarbeiter, kaputte Glühbirnen, Klopapierrollen und demoliertes Mobiliar kümmern.Daß er 1990 rehabilitiert, eine öffentliche Entschuldigung ausgesprochen wurde, half dem da bereits knapp 70jährigen wenig."Ich hatte nichts mehr davon, war zuvor meiner Erkenntnisse und Erfahrungen beraubt worden, weil ich sie nicht anwenden durfte.Damit waren meine besten Jahre verloren."

Eigentlich müßte er über all das ein Buch schreiben, sinniert Heinz Krügel, und erzählt ein paar Erlebnisse aus der "bösen, alten Zeit".So, als ihm Stasi-Leute (die ihn mit mehr als einem halben Dutzend IMs bespitzelten) am 6.November 1974 in der Halbzeitpause der Partie zwischen seinem 1.FC Magdeburg und dem FC Bayern München mitteilten, man habe die Gäste-Kabine "verwanzt", und nun sei jede Anweisung von Bayern-Trainer Lattek mitzuhören.Krügels Ablehnung - "Das beschmutzt meine Berufsehre!" - wurde mit dem Hinweis gekontert, für den "Sieg über den Kapitalismus" seien alle Mittel recht.

Einem der Fußball-Lehrer, für die die Karriere so ganz anders verlaufen ist, ist Krügel vor nicht allzu langer Zeit wiederbegegnet.Giovanni Trapattoni hieß der Trainer, der 1974 seine Laufbahn an der Seitenlinie mit einer Niederlage des AC Mailand gegen den 1.FC Magdeburg begonnen hatte.Bei einem Bayern-Freundschaftsspiel in Magdeburg sah man sich 1997 erstmals seit jenem Endspiel."Wir haben uns über alles mögliche unterhalten - den Fußball international, in Deutschland, Italien und natürlich über die Bayern.Trapattoni ist ein Trainer-Vorbild, in jeder Hinsicht.Vielleicht ist er manchmal zu gut, was fußballspielende Schwerverdiener nicht zu schätzen wissen, weil sie zu überheblich sind." Auch wenn Heinz Krügel die Weltmeisterschaft nur am Fernsehschirm miterlebte, seinen Fußballsachverstand hat er nicht verloren.

ACHTUNG

Der Deutsche Wetterdienst bat uns folgende Suchmeldung zu veröffentlichen.Gesucht wird Frau Ursula Keller.Nähere Informationen gibt es unter http:// www.dwd.de/general/dkeller.html .

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