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Sport: Trau keinem über 25

Leichtathleten ärgern sich über DLV-Förderstruktur

Sindelfingen Die Sprechstunde von Clemens Prokop war nicht gut besucht. „Es sind am ersten Tag fünf Athleten gekommen“, sagte der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Prokop hatte die Athleten am Rande der nationalen Hallen-Meisterschaften in Sindelfingen zum „persönlichen Gespräch“ eingeladen. Denn unter den Sportlern ist der Unmut über die neue Förderstruktur beim DLV groß, weil einige Leistungsträger davon ausgeschlossen wurden. „Ich fühle mich nicht richtig geschätzt, obwohl ich seit zehn Jahren in der Weltspitze bin und mir für den Verband den Arsch aufreiße“, sagte etwa Steffi Nerius, Olympia-Zweite im Speerwurf.

Während die Leverkusenerin in den A-Kader gesteckt wurde, fanden die Olympia-Zweite im Kugelstoßen, Nadine Kleinert, der WM-Dritte von 2003 im Gehen, Andreas Erm, oder die Stabhochspringer Danny Ecker und Lars Börgeling als Olympia-Fünfter und Olympia-Sechster Aufnahme in den so genanten „Top-Team-Kader“ für die Olympischen Spiele 2008 in Peking. Die verärgerte Steffi Nerius sagte trotzig: „Wenn ich gesund bleibe, mache ich bis zur WM 2009 in Berlin weiter. Und wenn meine Leistungen stimmen, dann kommen die vom Verband sowieso wieder alle an.“

Kritik übte auch die Hürdensprinterin Kirsten Bolm, die den deutschen Hallen-Titel mit der Weltklassezeit von 7,93 Sekunden gewann, an der Auswahl des 56 Athleten großen Kaders für Peking. „Ich habe das Gefühl, dass die über 25-Jährigen auf ein Abstellgleis gestellt werden. Das gibt keine große Motivation“, sagte sie. Auch die von ihr geschlagene Nadine Hentschke, erst 22 Jahre alt, äußerte ihre Enttäuschung über die Auswahl: „Ich fühle mich ausgeschlossen. Doch ich sage mir auch: Jetzt erst recht.“ Der neue DLV-Cheftrainer Jürgen Mallow räumt ein, im Reformeifer die etablierten Athleten etwas vergessen zu haben. Inzwischen hat er mit prominenten – aber zuletzt nicht mehr erfolgreichen – Athleten wie Grit Breuer, Ingo Schultz oder Nils Schumann gesprochen. „Wir sind selbstverständlich auch auf die alten Athleten angewiesen und wollen sie nicht entsorgen“, betonte Mallow.

Außerdem sei das Kader-System nicht betoniert. Kurzfristig will er den Peking-Kader um die Stuttgarter Kugelstoßerin Petra Lammert erweitern, die in diesem Winter einen Leistungssprung machte und Vizemeisterin wurde. Die Nichtberücksichtigung für den Peking-Kader soll auch Kräfte freisetzen. „Wir hoffen, dass die Athleten, die nicht im Kader sind, den Jetzt-erst-recht-Effekt zeigen“, sagte Eike Emrich, der zukünftige Vizepräsident Leistungssport des DLV. Für Clemens Prokop gibt es vergangenen Jahre keine Alternative zum neuen Konzept. „Wir haben keine andere Wahl, als auf die Jugend zu setzen“, sagt der DLV-Präsident. „ Denn die Bundesmittel werden nach dem Abschneiden in Peking 2008 vergeben.“ dpa

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