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Sport: Trauermarsch den Berg hinunter

Der 1. FC Kaiserslautern hat abgewirtschaftet

Wenn Ottmar Walter von seinen Nächten ohne Schlaf erzählt, kann einem angst und bange werden. „Ich sitze nachts auf der Bettkante, kann nicht schlafen und frage mich: warum“, erzählt Walter. Ihn plagt Schüttelfrost. Aber er ist trotz hoch auf den Berg, den Betzenberg. Horst Eckel ist auch da. Die beiden Weltmeister von 1954 stehen vor vier Flaschen FCK-Sekt und erzählen vom Geist, der hier einmal herrschte, als die Pfälzer Fußballer gefürchtet waren und wie eine Zirkustruppe empfangen wurden, deren Kunststücke man bestaunt und verabscheut, weil sie Niederlagen brachten. Man hat beim 1. FC Kaiserslautern Zeitzeugen von 1954 zum Plausch eingeladen und feiert umgeben von sportlicher Tristesse Wiedersehen. Eckel sagt, er gehe lieber nicht runter in die Kabine zu den heutigen „Roten Teufeln“, „weil die nicht hören wollten, was ich ihnen sagen würde“. Er sagt es doch. Direkt neben dem 83 Jahre alten Ottmar Walter, der stumm mit dem Kopf nickt.

Eckel spricht von einer „Mannschaft der Taubstummen“, und „da ist keiner, der die Ärmel hochkrempelt“. Es ist wieder mal so weit, die Pfalz macht sich Sorgen um den 1. FC Kaiserslautern, der Abstieg in die Regionalliga droht. Allein das wäre eine Katastrophe, so es überhaupt für die Lizenz in Liga drei reicht. Kritikpunkte gibt es zuhauf. Pro Saison müssen 4,8 Millionen Euro Stadionmiete und Unterhalt aufgebracht werden. Im Vorstand sitzen Leute, die kaum Fußballsachverstand besitzen. An der Spitze Erwin Göbel, der früher als Mann der zweiten Reihe für Finanzen zuständig war. Daneben Sportdirektor Michael Schjönberg, Ex-Verteidiger und kantiger Haudrauf. Als Visionär ist der eigenbrötlerische Däne nie aufgefallen.

Tabellenplatz 17, kein Spiel gewonnen, Zuschauerschwund, traurige Abende, die in Trauermärschen der doch Gekommenen den Berg hinunter enden.

Diesen Sonntag geht es gegen Osnabrück. Wieder ein Spiel, das Trainer Kjetil Rekdal den Job kosten könnte. Der Norweger muss gewinnen. Begriffe wie „Spaß“ und „Leidenschaft“ will er nicht mehr auf die Tafel schreiben, wenn er taktische Besprechungen abhält. Er hat das vor der Heimniederlage gegen Wehen getan, als seine junge Mannschaft nach dem Gegentor zum 0:1 schnell frustriert aufgab. „Die Zeit wird kürzer, es müssen Ergebnisse her“, sagt er. Was Rekdal sagt, klingt vernünftig. Manche aber glauben, er verlange zu viel von jungen Kickern, die mit kernigem Abstiegskampf überfordert scheinen.

Als seien sie Botschafter einer unbeschwerten Zeit, die ein bisschen Zuversicht und Mut wie Sternenstaub unters Volk streuen können, stehen Walter und Eckel da. Walter leidet wie die meisten. „In die Stadt gehen wir schon lange nicht mehr. Da fragen sie alle paar Meter, Otte, was meinst du, wie’s weitergeht?“. Aus Sorgen um ihre Gesundheit verschwinden die beiden oft früher aus dem Stadion.

Seit 1998, dem letzten Meisterjahr, geht es steil bergab. 81 Spieler wurden gekauft, 100 Spieler abgegeben. Die vielen Krisen der letzten Jahre haben tiefe Wunden hinterlassen, und das Sommermärchen 2006 scheint am WM-Standort, der sich mit dem fälligen Stadionumbau übernahm, gänzlich vorbeigegangen. Nur in einer Unterführung hängen noch ein paar alte Bilder der WM-Stadt, die Fritz und Ottmar Walter und Horst Eckel als Computeranimation zeigen. Außer Schulden ist wenig geblieben. Den fetten Einkaufsjahren mit hochtrabenden Plänen und Steuertricksereien folgten Gerichtsverfahren und eine harte Sparpolitik.

Nun wird als Höhepunkt der Finanzkrise sogar über den Verkauf der Namensrechte des „Fritz-Walter-Stadions“ nachgedacht. 

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