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Sport: Tribüne statt Tor

Kurz vor der Handball-WM degradiert Kiel Nationaltorwart Henning Fritz zum dritten Mann

Vor acht Wochen schien die Krise bewältigt. Torwart Henning Fritz, Welthandballer des Jahres 2004, hatte nach langem Tief aufsteigende Form bewiesen beim Worldcup in Schweden. „Das war ein großer Schritt für Henning“, sagte Bundestrainer Heiner Brand, „schön für ihn, dass er wieder so da ist, aber die Mannschaft braucht ihn auch.“ Doch nun, dreieinhalb Wochen vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land, durchlebt der 32-Jährige die schwierigste Phase seiner Karriere: Beim 37:29-Auswärtssieg seines Klubs THW Kiel in Nordhorn am Dienstag ließ ihn Trainer Noka Serdarusic zu Hause. „Es gibt Dissonanzen zwischen der sportlichen Leitung und Fritz, die wir intern klären werden“, sagte THW-Manager Uwe Schwenker zur Begründung.

Erst kurz vor Weihnachten hatte Fritz in Kiel eine Option gezogen, die ihm eine Verlängerung seines gut dotierten Vertrages (geschätzte 300 000 Euro) bis Juni 2009 garantiert – nach einem ausführlichen Gespräch mit Serdarusic und Schwenker. Darin soll ihm Serdarusic erklärt haben, auf der Torwartposition vor allem mit dem französischen Nationalkeeper Thierry Omeyer und dem Schweden Mattias Andersson zu planen; der THW hatte Omeyer im Sommer von HB Montpellier geholt. In der Vorsaison hatten sich Andersson und Fritz nicht in guter Form präsentiert. Schon damals kündigte Serdarusic an, einen der drei Keeper auf die Tribüne zu setzen. „Eine solche Situation habe ich noch nie erlebt, daran muss ich mich gewöhnen“, sagte Fritz, der 2001 von Magdeburg nach Kiel kam.

Die Lage eskalierte nun, als Kiel am 20. Dezember in Magdeburg beim 24:39 die herbste Niederlage seit 20 Jahren einstecken musste. Angeblich soll Fritz sich zunächst geweigert haben, als ihn Serdarusic zehn Minuten vor Schluss einwechseln wollte – weil der THW bereits mit zehn Toren zurücklag und Fritz nichts mehr an der Niederlage hätte ändern können. In diesem Fall wäre die Nichtberücksichtigung für das Nordhorn-Spiel als disziplinarische Maßnahme zu verstehen. Serdarusic jedenfalls sah seine Autorität als Coach angegriffen, trotzdem sagt er: „Im Sport geht es nur um Leistung.“ Der 56-Jährige gewann mit Kiel neunmal die deutsche Meisterschaft. „Schmutzige, dreckige Sachen gibt es bei uns nicht.“ Auch Manager Schwenker verteidigt des Trainers Entscheidung: „Wir haben nie versucht, Fritz zu demontieren.“ Doch die schützende Hand des Klubs genießt Fritz offenbar nicht mehr. Trotzdem sagte Fritz den Kieler Nachrichten: „Ich bleibe in Kiel.“ Er sehe die WM als „Chance, wieder das nötige Selbstvertrauen zu tanken und dann den Kampf aufzunehmen“.

Heiner Brand war zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen, der Bundestrainer ist im Urlaub. In Vereinsinterna mischt sich der Gummersbacher aber traditionell nicht ein. Dass aber die Zukunft seines Stammkeepers geklärt ist, bevor die Mannschaft in die WM im eigenen Land startet, darauf wird Brand großen Wert legen. Die nächsten Tage könnten kompliziert werden für Henning Fritz.

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