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Sport: Triumph der Brüder

Wimbledon: Philipp Petzschner und Jürgen Melzer siegen im Doppel

Philipp Petzschner schüttelte energisch den Kopf und winkte ab. Auf gar keinen Fall wollte er hören, was ihm sein Partner Jürgen Melzer da gerade andeutete. Dessen Lebensgefährtin hatte ihm von der Tribüne per Handzeichen mitgeteilt, wie es bei der Fußball-WM im Viertelfinale zwischen Deutschland und Argentinien zur Halbzeit stand. Aber Petzschner wollte es nicht wissen, obwohl der 26 Jahre alte Bayreuther doch ein glühender Fußballfan und Anhänger von Arminia Bielefeld ist. In diesem Moment, auf dem Center Court von Wimbledon, gab es für ihn etwas viel Wichtigeres, das seine ganze Aufmerksamkeit erforderte. Denn Petzschner stand kurz davor, sich mit Melzer den Doppeltitel beim bedeutendsten Tennisturnier der Welt zu sichern.

„Das ist der größte Erfolg meiner Karriere“, sagte Petzschner nach dem souveränen 6:1, 7:5 und 7:5-Sieg gegen den Schweden Robert Lindstedt und Horia Tecau aus Rumänien, und er meinte es auch so. Seit Petzschner im Einzel in der dritten Runde Rafael Nadal in fünf Sätzen unterlegen war, hatte er gemeinsam mit dem Österreicher den Doppeltitel als höchstes Ziel ausgegeben. Und es sollte mehr als nur ein Trostpreis für sie sein. Denn der immer ein wenig stiefkindlich betrachtete Wettbewerb zählte für Petzschner genauso viel wie der im Einzel. „Wimbledonsieger ist Wimbledonsieger“, betonte er, „unsere Namen stehen jetzt hier ewig an der Wand. Das kann uns niemand mehr nehmen.“

Davon hatte Petzschner geträumt, seit er es vor neun Jahren als Junior bis ins Halbfinale schaffte. Doch jahrelang verschluderte Petzschner sein Talent, er lebte nicht, wie es ein Tennisprofi tun sollte und hielt sich nur mit kleinen Erfolgen im Doppel über Wasser. Dass ihn später auch nach ersten Achtungserfolgen niemand als Einzelspieler wahr- und ernst nahm, daran störte sich Petzschner immens. Doch der Triumph im All England Club macht ihn immun gegen jegliche Vorbehalte. „Für mich ist es eine Riesenehre, als erster Deutscher nach Stich in Wimbledon zu gewinnen“, sagte er, „und wenn man mich danach nur noch als Doppelspezialist bezeichnet, ist mir das scheißegal.“ Vor 18 Jahren war es Michael Stich an der Seite des amerikanischen Altmeisters John McEnroe als bis dato einzigem Deutschen gelungen, sich in die Doppel-Siegerliste einzutragen.

Zwei Stunden hatte es nur gedauert, bis sich Petzschner und Melzer vor Freude auf dem Rasen kugeln durften, und sie hatten bewiesen, dass die stärkeren Einzelspieler auch das bessere Doppel bilden. Melzer steht seit seinem Halbfinaleinzug bei den French Open auf Rang 16, Petzschner ist die Nummer 41 der Welt. Dabei spielen sie erst seit dieser Saison als Stand-by-Duo zusammen. Beide trennten sich von ihren angestammten Partnern, die Doppelspezialisten sind. Aber mehr noch bildet ihre enge Freundschaft die Grundlage für ihren Erfolg. Seit sie sich seit anderthalb Jahren das Trainerteam teilen und auch die Saisonvorbereitung gemeinsam in Wien absolvierten, stehen sie sich so nahe wie Brüder. „Wir harmonieren auf und neben dem Platz sehr gut“, sagte Melzer, „wir sind immer positiv und ergänzen uns perfekt.“ In Wimbledon lud Petzschner ihn nach dessen Aus gegen Roger Federer ein, mit in sein angemietetes Haus zu ziehen, was die trübe Stimmung schnell beseitigte.

Für die gab es am Samstagnachmittag gar keinen Grund. Eilig stibitzten die Sieger noch zwei Spielbälle als Souvenir, bevor sie in der Royal Box ihre Trophäen vom Herzog von Kent in Empfang nahmen. „Ein doppelt guter Tag für Deutschland“, sagte dieser zu Petzschner, der dadurch kurz irritiert war. „Es war doch ein 4:0 gegen Argentinien“, fügte der Herzog hinzu. Stimmt ja, meinte Petzschner, da war doch noch was. Aber das fühlte sich nicht annähernd so gut an.

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