zum Hauptinhalt
Im Lichte des Sieges. Arthur Abraham ist nach einer starken Leistung wieder Box-Weltmeister, dieses Mal im Super-Mittelgewicht. Im Berliner Ring zeigt er stolz seinen WM-Gürtel.

© Reuters

Triumph im Super-Mittelgewicht: Arthur Abraham: Wie eine gebratene Kartoffel

Der berliner Boxer Arthur Abraham kocht den schwer gezeichneten Weltmeister Robert Stieglitz ab, besteigt nach harten Niederlagen wieder den Thron und freut sich auf sein Lieblingsgericht bei seiner Mama.

Es sind jene Momente, in denen gar nicht gekämpft wird, die viel über das Boxen und seine Kämpfer erzählen. Wenn Boxer nach strapaziösen Runden in ihrer Ringecke auf dem Schemel kauern, den inneren Motor mal kurz in Leerlauf schalten und den Geist neu erwecken. Samstagnacht ist es jene Ringpause vor der zwölften und letzten Runde, als sich Ulli Wegner zu seinem Schützling Arthur Abraham beugt, ihm ganz nah kommt und ihn fragt: „Wie geht es dir?“ Abraham rinnt der Schweiß am ganzen Körper hinab, die 10 000 Zuschauer in der Arena am Ostbahnhof toben und juchzen. Normalerweise sind Boxer in dieser finalen Kampfesphase längst hinübergetreten in einen anderen Bewusstseinszustand, sind physisch ausgemergelt und gezeichnet, japsen, zittern, alles schmerzt. Abraham aber hebt sein Gesicht, lächelt seinen Trainer an und antwortet ihm: „Gut.“

In der gegenüberliegenden Ecke sind die Hände der Sekundanten damit beschäftigt, die vielen Cuts ihres Mannes noch einmal irgendwie zu verkleben. Robert Stieglitz, der Weltmeister im Super-Mittelgewicht, der Titelverteidiger, hängt mehr in seiner Ecke als dass er sitzt. Sein linkes Auge ist zugeschwollen, die vergangenen zwei, drei Runden hat er Abrahams rechte Haken gar nicht mehr kommen sehen. Und noch einmal bittet Ringrichter Joe Cortez (USA) die beiden Wahl-Deutschen in die Ringmitte zum letzten Gefecht.

„Ab der achten Runde habe ich gemerkt, dass ich ihn im Griff habe, dass ich machen kann, was ich will“, sagte Abraham hinterher. „Aber wenn einer Weltmeister ist, dann ist er das bis zur letzten Runde. Man muss immer aufpassen.“ Eine Runde später ist er, der 32-jährige Berliner, nach einem grandiosen Punktsieg zurück auf dem Weltmeisterthron. Noch im Ring erklärt Abraham mit tränenerstickter Stimme: „Das war mein Ziel, und ich habe es geschafft.“

Es wurde auch Zeit, möchte man meinen. Hinter ihm liegen zwei harte Jahre mit vielen Tiefen, wie er später erzählen wird. „Ich habe innerlich sehr viel mit mir gekämpft.“ Nach schmerzvollen Niederlagen gegen den britischen WBC-Titelträger Carl Froch und WBA-Weltmeister Andre Ward aus den USA stand Abrahams Karriere auf der Kippe. Der einst souveräne Mittelgewichts-Champion war ein Limit hochgegangen ins Super-Mittel, bekam aber dort ordentlich was um die Ohren. Abraham stand vor dem Aus.

Abraham entdeckt sein Kämpferherz wieder

Nach den desaströsen Erfahrungen organisierte sein Manager Wilfried Sauerland eine letzte Chance und mit viel Geschick den WBO-Titelkampf gegen Stieglitz. „Der Druck war sehr groß. Arthur ist zurück – jetzt können wir auf viele schöne Kämpfe hoffen“, sagte Sauerland tief in der Nacht nach dem Kampf. „Wenn das heute anders gelaufen wäre: Ich weiß nicht, wie wir aus diesem Tief wieder rausgekommen wären“, ergänzt Ulli Wegner und macht dabei ein ernstes Gesicht.

Es ist anders gekommen, weil Abraham bei seiner letzten Chance sein Kämpferherz wiederentdeckt, sich aktiv und präsent präsentiert. Gleich in der ersten Runde klingelt er den Titelverteidiger mit ein paar harten Händen an und muss nicht wie so oft einem Punktrückstand hinterherlaufen. Im Gegenteil, nun muss Stieglitz, den man im Vorwärtsgang erwartet, ungestüm werden, wobei ihm Abraham exzellent abfängt. Zwar lächelt Stieglitz seinem Gegenüber nach dessen Schlägen zu, die angeblich nichts bewirken, doch spätestens in der fünften Runde ist dem Titelverteidiger das Lächeln aus dem Gesicht gefallen. Dafür macht sich der erste Cut breit, sein linkes Jochbein schwillt. Es soll die Runde werden, die das Ende vorwegnimmt.

Abraham ist hernach nicht mehr zu stoppen, er hat seinen Stil und Rhythmus gefunden. Mit dem Jab hält er sich den wild anstürmenden Stieglitz auf Distanz, ehe er jeweils ab Rundenmitte selbst aufdreht. Wer die zweite Rundenhälfte gewinnt, wer hier Treffer landet, den Kampf bestimmt und lenkt, beeindruckt die Punktrichter. Abraham hält sich diesmal diszipliniert an der Taktik seines Trainers. „Wie Arthur sich gefügt hat – wie früher“, sagt Wegner in seiner Diktion. „Wir haben ihn geistig dazu gezwungen, uns zu folgen. Denn wenn er sein Potenzial abruft, ist er Weltspitze, dann kann bei ihm nichts schiefgehen.“

Leider kann der Geschlagene sich nicht weiter erklären. Dessen Cuts müssen noch in der Nacht medizinisch versorgt werden. Dafür streut ein früherer Weltmeister dieser Gewichtsklasse Treffendes ein. „Das war eine Bestrafung“, sagt Graciano Rocchigiani und zollt Abraham Respekt für dieses Comeback.

Als Arthur Abraham in den Morgenstunden auf seine Pläne angesprochen wird, bleibt er bescheiden. Er boxe zwar jeden, auch einen gewissen Felix Sturm, dem man schon vor zwei Jahren ein Angebot unterbreitet habe, aber nach der wochenlangen Vorbereitung voller Schweiß und Entbehrungen wolle er nun direkt nach Hause fahren. Seine Mama, der er den Sieg widmete, werde ihn kulinarisch verwöhnen. „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie ich mich darauf freue.“ Es gibt Bratkartoffeln. Für die wahren Momente.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false