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Dr. Thorsten Dolla.

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Sport: Trocken, müde, depressiv

Was hinter Venus Williams’ Immunkrankheit steckt

Die Karriere von Venus Williams könnte schlagartig zu Ende gehen. Wie bei den US Open bekannt wurde, leidet die 31 Jahre alte US-Tennisspielerin am Sjörgen-Syndrom, einer Autoimmunerkrankung. Die ältere der beiden Williams-Schwestern musste deshalb das Zweitrundenmatch gegen Sabine Lisicki aus Berlin absagen. Sie habe vor Schwäche und Müdigkeit kaum mehr den Schläger halten können. Was ist das Sjörgen-Syndrom? Das erklärt hier der Berliner Sportarzt Thorsten Dolla.

Das Sjörgen-Syndrom ist eine Autoimmunerkrankung. Dabei greifen Immunzellen die Speichel- und Tränendrüsen an. Hört sich harmloser an, als es in Wirklichkeit ist. Denn es handelt sich um eine Krankheit, die schwer diagnostizierbar ist, oft spät erkannt und behandelt wird. Unstrittig aber ist, dass die Erkrankung bei Frauen deutlich häufiger auftritt als bei Männern. Hier liegt das Verhältnis bei 9:1.

Häufig müssen Betroffene viel trinken, da eine Mundtrockenheit vorliegt. Und durch eine deutliche Verminderung der Sekretion der Tränendrüsen hat man das Gefühl, eine Wimper oder ein Sandkorn wäre im Auge. Zudem kann es zu trockener Nasenschleimhaut kommen. Durch eine häufig gleichzeitig auftretende rheumatoide Arthritis können auch Muskel- und Gelenkschmerzen auftreten. Das kann zu Muskelschwäche und frühzeitiger Erschöpfung führen. Bei einer Nervenbeteiligung kann es zum Kribbeln und zur Taubheit der unteren Extremitäten kommen. Depressionen können auftreten. Hierzu gehören Konzentrationsstörungen, ein verminderter Appetit oder Schlafstörungen. Daran kann man sehen, wie schwierig eine genaue Diagnose ist. Viele Anzeichen würden auch zu anderen Krankheitsbildern passen.

Eine sorgfältige klinische Untersuchung ist bei diesem komplexen Krankheitsbild sehr wichtig. Zusätzlich können eine Blutuntersuchung und eine Muskeluntersuchung (Biopsie) helfen. Bei Autoimmunerkrankungen erkennt das Immunsystem, das für Erkennung und Abwehr von Mikroorganismen und Viren verantwortlich ist, körpereigenes Gewebe als zu bekämpfenden Fremdkörper. Die Folge ist eine übermäßige Reaktion des Immunsystems gegen körpereigenes Gewebe.

Durch sorgfältige Mundhygiene, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und speichelanregende Maßnahmen (saure Speisen, Kaugummi), Lichtschutz der Augen (Sonnenbrille) und Augentropfen (künstliche Tränenflüssigkeit) können die Probleme gut gelindert werden. Häufig wird Kortison gegeben. Bewegung, also auch Sport, kann die Lebensqualität mit der Krankheit verbessern. Allerdings ist es sehr schwierig, einen Hochleistungssport erfolgreich auszuüben. Insbesondere dann, wenn sich wie im Fall von Venus Williams die Betroffene ständig müde fühlt.

Der Berliner Orthopäde Dr. Thorsten Dolla, 47, ist seit Jahren in der Sportmedizin tätig. Er war Mannschaftsarzt bei Hertha BSC, beim 1. FC Union und dem Footballteam Thunder, heute ist er Ringarzt beim Boxen und leitender Arzt des Istaf. Für Tagesspiegel.de schreibt er montags über Sportverletzungen und ihre Folgen.

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