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Sport: Tschö mit Ö

Die Hoffnung auf das Wunder von Wien ließ die Fans gestern zum ersten Mal auf die Fanmeile strömen, wo sie weitgehend friedlich mit 50 000 Deutschen feierten. Geholfen hat es Österreich nichts

Das rot-weiß-rote Sommermärchen hat ein Ende gefunden. Allerdings eines, über das Fußball-Österreich noch diskutieren wird. Die enttäuschte Nation, die auf eine Wiederholung des Wunders von Cordoba gehofft hat, wird sich Fragen stellen. Etwa: Wäre gegen diese lange Zeit schwerfällige deutsche Mannschaft nicht mehr drin gewesen? Hätte nicht schon ein Klassestürmer wie früher Hans Krankl gereicht, um den Favoriten dieser Gruppe rauszuwerfen? War die gestrige Inszenierung wirklich das Maximale, was der österreichische Fußball sich erhoffen konnte? Schlussendlich scheidet die österreichische Nationalmannschaft nach dem 0:1 als zweiter Gastgeber der EM nach der Vorrunde aus. Das ist das, was man erwartet hatte. Und doch stand der gesamte österreichische Anhang im Ernst-Happel-Stadion auf, um Applaus zu spenden. Die Ovationen für die eigene Auswahl wollte gar kein Ende nehmen. So was hat es an dieser traditionsreichen Spielstätte selten gegeben.

Österreich gegen Deutschland, das hat nun tagelang elektrisierende Wirkung entfaltet.Der Glaube an das Wunder von Wien, sportlich scheinbar ohne rationale Erklärung geschürt, hatte genau das bewirkt, was sich die Organisatoren erhofft hatten: echte EM-Euphorie. Zum ersten Male war gestern die Wiener Fanzone zwischen Heldenplatz und Burgtheater weit vor Spielbeginn mit 70 000 Besuchern überfüllt, die Menschen strömten in Lokale und in den Prater. Fast 50 000 deutsche Anhänger waren angereist, um mit insgesamt 200 000 Fans in Wien zu fiebern, fürchten und zu feiern. Als sich gestern unweigerlich überall Deutsche und Österreicher begegneten, kam es zu den üblichen Schmähgesängen, meist witzig, oft ironisch, selten hasserfüllt. „Die Stimmung ist ausgelassen und friedlich“, sagte Konrad Kogler, der Sprecher des österreichischen Innenministeriums. In einer Kneipe der Innenstadt war es allerdings mit dem Frieden vorbei: 70 Österreicher wollten eine Schlägerei mit halb so vielen Deutschen anzetteln, die Wiener Polizei schritt rechtzeitig ein.

Insgesamt waren rund 3800 Uniformierte im Einsatz. An den Eingängen des Ernst-Happel-Stadions wurden Flugblätter verteilt, die an einen fairen Ablauf appellierten. Aufgedruckt waren auch beide Nationalhymnen. „Mir sind die Deutschen sehr sympathisch“, hatte Österreichs Trainer Josef Hickersberger gesagt, „ich bitte um Respekt beim Abspielen der Hymne des Gegners, immerhin hat sie ein Österreicher (Joseph Haydn, d. Red.) komponiert.“ Das hatte genau wie der Aufruf der Kapitäne Ballack und Andreas Ivanschitz über die Videowand etwas genutzt: Beide Hymnen ertönten erfreulicherweise ohne Pfeifkonzert.

Damit hatten auch manche Kampagne kaum Nährboden gefunden. „Zieht den Deutschen die Hosen aus: Ein Sieg und ihr seid unsterblich“, hatte die Zeitung „Österreich“ getitelt und darauf einen (fast) nackten Michael Ballack abgebildet. Der „Kurier“ hatte die Deutschen als Traumtänzer bezeichnet und die Narrisch-Werdung der Hauptstadt prophezeit. So weit ist es durch Ballacks Traumtor nicht gekommen.

Was passiert nun mit Österreichs Nationalelf, die in der WM-Qualifikation unter anderem auf Frankreich, Rumänien und Serbien trifft?

Wenn die Gründe für das achtbare Ausscheidens geleckt sind, wird Hickersberger in sich gehen und vermutlich seinen Rücktritt erklären. Dann hätte der beredte Mann sein letztes Länderspiel als Aktiver und als Trainer jeweils gegen Deutschland bestritten. „Wir haben für alles eine Lösung“, sagt Friedrich Stickler vielsagend, der Boss des Österreichischen Fußball-Bundes.

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