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Zum Verstecken. Hoffenheims Eugen Polanski nach dem 1:2 in Augsburg.

© dpa

TSG Hoffenheim: Suche nach dem Selbst

Bei der TSG Hoffenheim gehen Identitätskrise und sportlicher Absturz einher. "Die Mannschaft ist für etwas anderes zusammengestellt, damit haben wir nicht gerechnet", sagt Kapitän Andreas Beck.

Es war mehr als ein böser Verdacht, den Andreas Beck nach dem 1:2 (0:1) beim FC Augsburg äußerte. „Die Mannschaft ist für etwas anderes zusammengestellt, damit haben wir nicht gerechnet“, sagte Hoffenheims Kapitän. Es klang beinahe so, als sei den Hoffenheimern die prekäre Situation wie eine böse Erkältung zugeflogen, die wiederum als Alibi für die Hilflosigkeit beim jüngsten Auftritt in Augsburg herhalten musste. Von Überforderung war die Rede, von Auflösungserscheinungen, von Aufgabe und dem drohenden Absturz in die Zweite Liga – und vom Untergang einer Mannschaft, die sich gegen den Verlust des Relegationsplatzes nicht wehrte.

Bei elf ausstehenden Spielen ist es für ein Schlussplädoyer freilich zu früh. Viel spricht allerdings nicht für die Rettung des Vereins, der es sich einst zur Maxime gemacht hatte, mit Talenten die Fußball-Welt zu erobern. Der sich als Projekt verstand, das im abgeschotteten Gewächshaus seines Mäzens Dietmar Hopp zur Blüte reifen sollte. Die Wirklichkeit sieht längst anders. Seit der Entlassung von Ralf Rangnick im Januar 2011 verkörpert Hoffenheim vielmehr das Gegenteil: nämlich planlose Trainerwechsel und die Suche nach der eigenen Identität. Marco Kurz ist bereits der fünfte Trainer, der den Verfall stoppen soll, Andreas Müller der vierte Manager.

Müller kündigte an, wieder „den roten Faden aufzunehmen“, der das Modell Hoffenheim einst ausgezeichnet hatte. Das würde eine Rückkehr zu jener Politik bedeuten, die auf junge Spieler setzt. Seit mehr als sechs Jahren hat allerdings kein im Verein ausgebildeter Nachwuchsspieler mehr den Sprung in die erste Mannschaft geschafft. Müllers Statement klang mehr nach dem verzweifelten Versuch, die grundsätzlichen Fehler der vergangenen Jahre zu korrigieren. Diese haben ihren Ursprung jedoch auch in der Nähe des Gesellschafters Hopp zur aktuellen Vereinspolitik und dessen Kreis von Einflüsterern, dem nachgesagt wird, ebenfalls an den Stellschrauben zu drehen.

Kurz vor der Abfahrt des Teams nach Augsburg hielt Hopp noch eine aufmunternde Abschiedsrede. Dass der große Geldgeber im gleichen Atemzug erklärte, es werde im Falle des Abstieges mit ihm und der gleichen Intensität und Leidenschaft weitergehen, ist eine ziemlich naive Sicht der Dinge. Zumal Hoffenheim in der Zweiten Liga wohl kaum mehr Sympathie entgegengebracht wird als in der Bundesliga.

Mittlerweile ist die Verzweiflung im Kraichgau so groß, dass selbst ein weiterer Trainerwechsel in den kommenden Wochen nicht mehr ausgeschlossen scheint. In Augsburg ergoss sich später eine Flut von klaren Worten vor Kameras und Mikrophonen. „Hier muss sich alles ändern, komplett, sonst endet das in der Zweiten Liga“, sagte Tobias Weis. Hoffenheim wirkte fast 90 Minuten lang wie eine Mannschaft, die sich nichts mehr zu sagen hat – und folglich nichts mehr geben kann.

Auf der anderen Seite musste man das Sinnbild für die Augsburger Entschlossenheit nicht lange suchen. Sascha Mölders versuchte nach dem Abpfiff, das von seiner Nase tropfende Blut mit Papiertaschentüchern aufzufangen. „Ich wollte alles, nur nicht raus“, sagte der Stürmer, der sich eine Risswunde am Nasenrücken zugezogen hatte und trotzdem weiterspielte. Nach 80 Minuten wurde Mölders, wurden die Augsburger für ihr Engagement belohnt, als der Stürmer zum vorentscheidenden 2:0 traf.

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