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Sport: TSV 1860: Klub der Ratlosen

In München ist man, was den TSV 1860 anbetrifft, derzeit vorsichtig mit Superlativen. Schon oft sagte man nach dessen Spielen, dass nun der Tiefpunkt erreicht sei und dass es schlimmer wohl nicht mehr kommen könne.

In München ist man, was den TSV 1860 anbetrifft, derzeit vorsichtig mit Superlativen. Schon oft sagte man nach dessen Spielen, dass nun der Tiefpunkt erreicht sei und dass es schlimmer wohl nicht mehr kommen könne. Das nächste Spiel kam, und es wurde schlimmer. Vorläufiger Höhe- bzw. Tiefpunkt: das 0:5 gegen den VfL Bochum, den Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga. Aus dem DFB-Pokal damit hinauskatapultiert. Schlechteste Saisonleistung. 1860 in der Krise. Auch wenn es manche noch immer nicht sehen mögen. "Was ist eine Krise?" fragt Stürmer Martin Max, der darauf verweist, "dass in der Bundesliga noch genug Zeit bleibt, um das umzudrehen". "Das ist ein sportliches Tief, aber keine Krise", sagt Kapitän Marco Kurz. "Solche Spiele gibt es, ein bisschen Glück und wir kommen da unten wieder raus", dröhnt es vom Präsidenten Karl-Heinz Wildmoser, während der kraftlose Trainer Werner Lorant befindet: "Wir waren noch nie ratlos und haben schon viel schwierigere Situationen überstanden." Sie sind allesamt ratlos.

Lorant mochte am Tag nach dem Desaster gegen Bochum nichts mehr sagen. Ohne Angabe von Gründen verweigerte er die obligate Teilnahme an der Pressekonferenz. An seinem Platz saßen zwei Spieler, Marco Kurz und Martin Max, und beschworen die interne Einheit. "Die Gruppe ist intakt", versichert Kurz. Und Max meint keck, dass er "keine Lust hat, mit der Roten Laterne unterm Weihnachtsbaum zu sitzen". Nur, wenn sich in der Bundesliga das fortsetzt, was acht sieglose Spiele plus Pokal-Blamage zeigten, wird es so kommen. Nächsten Dienstag spielt man im Uefa-Cup gegen Parma. Danach dürfte sich das mit der Mehrfachbelastung erledigt haben.

Verunsichert sind sie, sagt Kurz und sagt, "dass man momentan nicht so selbstsicher auf den Platz geht". Das Problem ist, dass Lorant nicht weiß, wo er ansetzen kann. Das zermürbt ihn, obwohl er schon einige schwierige Momente hatte in seinen acht Jahren als Cheftrainer. Aber immer hatte man den Eindruck, er wisse, woran es liegt und könne gegenhalten. Mal feuerte er Spieler, mal holte er Neue, mal wechselte er durch, mal polterte er herum. Zur derzeitigen Lage fällt ihm nichts ein, seine Spieler mühen sich, aber es reicht nicht. Sie sind auch müde und belastet, weil sie bis Mittwoch noch in drei Wettbewerben vertreten waren. "Vorne gehen sie nicht rein und hinten machen wir Fehler, die direkt bestraft werden", sagt Max. Noch ein Ratloser.

Das Verständnis, das Lorant seinen Kickern entgegenbringt, mag verständlich sein, verstärkt aber den Eindruck der Ratlosigkeit. Einfache Lösungen gibt es offenbar nicht. Gegen Bochum verloren zudem zwei der erfahrensten Spieler die Nerven. Erst leistete sich Kurz ein unnötiges Foul an der Außenlinie, wofür er die Gelb-Rote Karte erhielt (60. Minute). Dann, zwei Minuten später, sprang der norwegische Rekord-Nationalspieler Erik Mykland Bastürk von hinten in die Hacken. Eine Affekthandlung. "Es war eine Frustgrätsche", entschuldigte Lorant den Aussetzer, der die Mannschaft endgültig ins Ungemach beförderte. Gegen neun demoralisierte Münchener war es selbst für den harmlos-biederen Tabellenletzten ein Leichtes, noch vier Tore zu erzielen.

Möglich scheint derzeit vieles an der Grünwalder Straße. Sowohl, dass am Sonnabend in Köln eine Wende folgt, aber auch, dass es weiter bergab geht. Die Fans halten noch still, wobei jene 5000, die gegen Bochum da waren, keine repräsentative Mehrheit darstellen. Kürzlich hatte Lorant verkündet, dass er sofort zurücktreten werde, wenn die ersten Sprechchöre gegen ihn zu hören seien. Am Mittwoch war es so weit. "Lorant raus" riefen die Fans. Es waren allerdings die Bochumer.

Detlef Dresslein

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