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Sport: Tüfteln und fahren

Zweier-Olympiasieger Lange hat auch im Vierer gutes Material und ist ein begnadeter Steuermann

Am kommenden Samstag könnte André Lange etwas Außergewöhnliches gelingen. Nach seinem Olympiasieg im Zweier fährt der 32 Jahre alte Oberhofer auch im Vierer um Gold. Nur den ganz Großen in der Geschichte des Bobsports ist ein solches Double bisher gelungen: Anderl Ostler (1952), dem Italiener Eugenio Monti (1960 und 1968), Meinhard Nehmer (1976) und Wolfgang Hoppe (1984). Christoph Langen aus Unterhaching brauchte zum Doppelerfolg zwei Olympische Spiele, 1998 in Nagano (Vierer) und 2002 in Salt Lake City (Zweier).

„Ich will auf jeden Fall nochmal ganz oben stehen“, kündigte Lange an, als er mit seinem Anschieber Kevin Kuske den Ruhetag abseits der Bobbahn mit einer Pressekonferenz im Deutschen Haus in Sestriere begann. „Heute werden wir erst einmal ein wenig feiern. Am Dienstag beginnt dann das Vierer-Training, dann werden wir eine Tendenz erkennen, wo unser Weg in dem Rennen hingeht.“ Der Erfolg hänge natürlich auch vom Material ab. Der neue Vierer war in diesem Winter noch nicht so optimal durch die Eiskanäle gesaust wie der neue Zweier aus der Wunderwerkstatt FES (Forschungs- und Entwicklungsstelle für Sportgeräte). „Aber, wir haben an unserem Bob lange gearbeitet und noch ein Riesending gefunden“, sagte Lange geheimnisvoll.

Bobfahren und Bobtüfteln erinnern stark an die Formel 1. „Ein Michael Schumacher wird mit Sicherheit im Minardi auch nicht Weltmeister“, sagte Lange bedeutungsvoll, wie mitentscheidend das Material, ein perfekt gleitender, ideal zu steuernder und optimal funktionierender Bob für den Sieg sei.

An dem Zweier-Olympiamodell 2006 hätten sie seit 2002 gearbeitet. Mit seiner ausgiebigen Tüftelei mit der FES in Berlin rief er Neider, Zweifler und Skeptiker auf den Plan, ob da auch alles mit rechten Dingen zugehe. Langes Antwort auf die „Dummschwätzer“: „Der Weltverband hat unseren Schlitten kontrolliert und zu 100 Prozent bewiesen, dass die Maße alle im Rahmen des Reglements sind.“ In ihrer kleinen Bobfamilie gebe es nie Anfeindungen. „Es sind nur Leute aus dem Umfeld, die quer schießen. Deswegen höre ich da gar nicht mehr hin.“

Ob nun dichtes Schneetreiben oder ein akrobatischer Einstieg Kevin Kuskes beim zweiten Lauf – Langes Steuerkünste und Kaltschnäuzigkeit bügeln jedes Handicap aus. Im dritten und vierten Lauf schraubte er den auf 0,06 Sekunden geschrumpften Vorsprung gegenüber dem kanadischen Weltmeister Pierre Lueders auf 16 und schließlich 21 Hundertstelsekunden wieder hoch. Das zeichnet den wahren Champion aus. Im richtigen Moment die Fahrt exzellent durch die 19 Kurven auf 1435 Metern mit Tempo 130 zu Tal zu bringen, das ist die hohe Kunst. Einem wie André Lange liegt diese Begabung im Blut. Seit dem achten Lebensjahr saust er durch die Eiskanäle, erst als Rodler, seit 1993 als Steuermann im Bob.

Wie Lange an den Steuerseilen, so gibt es zur Zeit keinen Anschieber (die Bezeichnung „Bremser“ ist eigentlich absurd) von der Schubkraft Kuskes. Der Hüne lief die 100 Meter schon mal in 10,5 Sekunden und macht Kniebeugen mit einer Hantellast von 240 Kilo. Mit so einem Kraftprotz im Rücken kommt André Lange gleich richtig in Fahrt. Im Vierer kommen noch René Hoppe und Martin Putze hinzu.

Hartmut Scherzer[Cesana]

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