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Ein Türkiyemfan und eine Bauchtänzerin tanzen auf einem Fußballplatz.

© dpa

Türkiyemspor: Das Geld ist weg, der Name bleibt

Berlins wichtigster Migrantenverein Türkiyemspor will es aus eigener Kraft aus der Finanznot schaffen. Nach dem Abstieg aus der Berlin-Liga beruft sich der Verein auf altbekannte Stärken - und geht neue Wege

Robert Claus wundert sich. „Normalerweise ist hier mehr los.“ Das Vereinscafé in der Admiralstraße sieht von innen so aus, wie Vereinsräume nun mal aussehen: Auf einem Regal reihen sich Pokale aneinander. Es gibt eine Theke, ein paar Tische und Stühle. Im Fernsehen an der Wand singt eine Dame türkische Liebeslieder in Dauerschleife. Neben Wimpeln und Vereinswappen: ein Aufkleber mit der Aufschrift „I love Kotti“. Willkommen in Kreuzberg.

Robert Claus, 30 Jahre alter Neuköllner, arbeitet ehrenamtlich für das Media- Team von Türkiyemspor 1978. Während eines Auslandsaufenthalts 2008 in Istanbul hat der Student Anhänger des Berliner Klubs kennengelernt. Der Name Türkiyemspor ist ihm bereits damals ein Begriff, aber für seine Beitrittserklärung braucht es den Umweg über den Bosporus. Sein Türkisch findet Claus „höchstens mittelprächtig“. Was allerdings kein Problem ist: „Türkiyemspor funktioniert schon immer zweisprachig.“ Einladungen zu Mitgliederversammlungen werden auf Deutsch und Türkisch formuliert. In der Kabine und auf dem Platz steht es den Mannschaften frei, in welcher Sprache sie kommunizieren.

Diese Offenheit hat ihre Geschichte. Türkiyemspor zählt zu den sogenannten Migrantenvereinen, die in den Achtzigerjahren vor allem in Berlin und im Ruhrgebiet von türkischstämmigen Arbeitern gegründet wurden. Den Vereinsgründern ging es dabei nicht allein um Fußball. In den Vereinen sprach man dieselbe Sprache, verbrachte seine Freizeit mit Freunden und Verwandten und unterstützte sich gegenseitig bei Behördengängen. Die Vereine übernahmen Aufgaben, die der Staat vernachlässigte. Eine Nichtberücksichtigung ausländischer Spieler – wie in deutsch geprägten Vereinen mitunter der Fall – war hier ausgeschlossen.

Türkiyemspor wird 1978 unter dem Namen Izmirspor gegründet. In den ersten fünf Jahren beschränkt sich der Spielbetrieb auf die Freizeitliga. 1987 schafft der in Türkiyemspor („Meine Türkei“) umbenannte Klub dann den Sprung in die Berliner Landesliga. Er avanciert zum bekanntesten Migrantenverein der Bundesrepublik. Schon in den Anfangstagen kommen bis zu tausend Zuschauer ins Katzbachstadion am Viktoriapark. Anfang der Neunziger steht der Verein sogar kurz vor dem Aufstieg in die Zweite Liga. Was dann folgt, ist bekannt. Funktionäre, Trainer und Sponsoren kommen und gehen. Der sportliche Erfolg bleibt aus.

Im Winter 2011 beantragt der Verein Insolvenz, zur Zahlungsunfähigkeit kommt der sportliche Misserfolg. Vor zwei Wochen gab es den nächsten Rückschlag. Am letzten Spieltag der Berlin-Liga stürzte Türkiyemspor auf einen Abstiegsplatz. In der nächsten Saison spielt der einst so stolze Klub nur noch in der siebtklassigen Landesliga. „Das haut uns schon ein bisschen in den Nacken“, gesteht Claus. Über die finanzielle Lage des Vereins möchte er an diesem Tag nicht reden. „Nur so viel: Das Verfahren läuft noch“.

Trotzdem sieht Claus in Türkiyemspor immer noch einen Vorzeigeklub. „Wir unterstützen Aktionen gegen Gewalt an Frauen und fördern Mädchen- und Frauenfußball. Bei uns sagt niemand, Mädchen dürfen kein Fußball spielen.“ Nach einer vom Verein mitgetragenen Kampagne gegen Homophobie treten einige Mitglieder aus – für ihn kein Grund, am Programm des Vereins zu zweifeln. Unter den Migrantenklubs gilt Türkiyemspor als relativ progressiv. Daraus, dass der Klub weiterhin verschiedene Positionen vereint, macht Claus kein Geheimnis. „Von den konservativen Nationalisten bis hin zu linken Kurden, vom türkischen Geschäftsmann bis zum Kreuzberger Alternativen, vom West-Berliner bis zum Ossi sind bei uns alle vertreten.“ Manche finden das schwierig, Claus findet es spannend.

Türkiyemspor: Der Verein wird internationaler und jünger – einerseits aus Prinzip, andererseits aus Notwendigkeit.

Heute stammen die Spielerinnen und Spieler überwiegend aus Deutschland und der Türkei. Vereinzelt kommen sie aus Turkmenistan, Aserbaidschan, Japan, England und den USA. Der Verein wird internationaler und jünger – einerseits aus Prinzip, andererseits aus Notwendigkeit. Der Wettbewerb um Talente und Sponsoren ist hart, gerade für den finanziell angeschlagenen Klub. Manche Vereine entscheiden sich für die Fusion mit anderen Klubs oder für eine Umbenennung.

So wurde aus dem Neuköllner Verein Galatasaray der Rixdorfer SV und Berlin Ankaraspor Kulübü nahm den Namen Berlin Athletik Klub wieder an. Mehmet Matur, Vorsitzender des Ausschusses für Integration und Migration des Berliner Fußballverbands und Mitglied bei Türkiyemspor, begrüßt diese Entwicklung, die in seinen Augen mit einem neuen Selbstverständnis zusammenhängt. „Hier leben Türken in der zweiten und dritten Generation. Sie sind Berliner. Wieso muss ein Verein unbedingt Samsunspor heißen und nicht einfach FC Kreuzberg?“

Weder Fusion noch Umbenennung standen bei Türkiyemspor ernsthaft zur Debatte. „Ich fände Berlinspor ja ganz passend“, erklärt Robert Claus. Andererseits sei der Name Türkiyemspor auch eine Marke und stünde für die erfolgreiche Integration und Selbstorganisation von Migranten in Deutschland. „Vor kurzem hat sich Türkiyemspor Schweinfurt gegründet. Selbst in New York und Amsterdam gibt es Vereine, die unseren Namen tragen.“ Mit dem Label Multikulti wird Claus trotzdem nicht richtig warm. „Wir benutzen das Wort eher selten. Wir sind ein Migrantenverein. Ein Fußballverein mit Migrationshintergrund, so wie Schalke oder Barcelona. Ein Kiezklub aus Kreuzberg.“

Johanna Behre

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