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Ein Finale zum Vergessen. Am Donnerstag vergab Anja Mittag die Riesenchance zum 1:1, am Freitag flog sie aus dem WM-Kader.

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Turbine Potsdam: Doppelt und dreifach bestraft

Nach dem verlorenen Champions-League-Finale gegen Olympique Lyon gibt es besonders für die Potsdamerinnen Anja Mittag und Josephine Henning viele Gründe zu trauern.

Am Ende wurde es noch einmal emotional. Im Kellerclub des Hard Rock Cafés am Londoner Hyde Park unterbrach der DJ sein Fetenhits-Programm, damit Turbine Potsdams Präsident Günter Baaske ein paar Worte an seine Fußballerinnen richten konnte. „Egal ob in Frankfurt oder Wolfsburg – ihr bleibt immer Turbinen“, verabschiedete er Fatmire Bajramaj, Josephine Henning und die anderen Spielerinnen, für die das verlorene Champions-League-Finale gegen Olympique Lyon (0:2) das letzte Spiel für Potsdam war. Dann ergriff Matthias Platzeck das Mikrofon. „Ihr habt uns diese Saison eine Menge Freude bereitet“, sagte Brandenburgs Ministerpräsident. „Und wer weiß: Wenn ihr zwei eurer drei Chancen reingemacht hättet, wäre das Ganze vielleicht anders ausgegangen.“

Bei diesen Worten schaute Anja Mittag ein wenig gequält drein. Die Stürmerin wusste, dass sie beim Stand von 0:1 fünf Meter vor dem Tor den Ball nicht stoppen konnte und so den Ausgleich vergab. Da half es noch weniger, als Baaske davon sprach, „dass einige von euch Morgen zwischen zehn und elf Uhr ein etwas mulmiges Gefühl haben werden“. Dann wollte nämlich Bundestrainerin Silvia Neid den Nationalspielerinnen mitteilen, wen sie noch aus dem WM-Aufgebot streicht. Anja Mittag und Josephine Henning gehörten dann tatsächlich zu den fünf Unglücklichen, auf die Neid bei der WM verzichtet.

Schon am Abend nach ihrer verpassten Chance hatte Mittag eine böse Ahnung beschlichen. „Mein Gefühl sagt mir, ich bin nicht dabei“, sagte die 26-Jährige, „ich war lange genug in der Vorbereitung dabei und kann das schon einschätzen.“ Wochenlang hatten sich die fünf Potsdamerinnen in Trainingscamps der Nationalelf gequält und durften erst drei Tage vor dem Finale zu ihrem Klub, das dann prompt verloren ging. Turbines Trainer Bernd Schröder war sogar der Meinung, das Endspiel am Donnerstagabend habe bei der Nominierung noch eine Rolle gespielt. „Eine Spielerin, die auf der Kippe steht und dann hier drei Tore geschossen hätte – natürlich wäre die dabei“, sagte Schröder und meinte Mittag. Die sagte zwar: „Ich habe versucht, das so weit wie möglich auszublenden.“ Doch Turbine-Spielführerin Jennifer Zietz gab zu: „Wir haben vor dem Finale den ganzen Tag mit ihr gesprochen, weil sie ein bisschen Angst hatte. Wir werden sie jetzt auffangen.“ Die Frage ist: Hätte Mittag den Ball getroffen, das Spiel vielleicht gedreht, wenn sie nicht um die WM gebangt hätte?

Es ist nur eine von vielen Kleinigkeiten aus dem Umkreis der Nationalmannschaft, die Turbine böse aufstoßen. So brauchen Mittag und Henning ihre nominierten Kolleginnen Babett Peter, Bianca Schmidt und Fatmire Bajramaj auch nicht zwingend zu beneiden: Statt mit dem Rest der Mannschaft das Champions-League-Finale der Männer in Wembley zu besuchen, müssen die drei ins Trainingslager nach Gütersloh reisen. Bundestrainerin Neid, die wie schon vor einem Jahr nicht zum Frauen-Finale erschienen war, bestand darauf. „Wir haben gar keine Zeit, um uns von ihnen zu verabschieden“, klagte Schröder.

Und so ahnt der 68-Jährige, dass der große WM-Traum der Nationalmannschaft, dem im deutschen Frauenfußball alles untergeordnet wird, Potsdam den Titel gekostet haben könnte. „Wir hatten überhaupt keine Harmonie in der Mannschaft“, sagte der 68-Jährige. „Wenn man mit so einer Truppe die Champions League gewinnen will, dann müsste man ja den Fußball neu erfinden.“

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