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Turn-WM: Hambüchen nach Skandal doch im Reck-Finale

Nach zähem Ringen hinter verschlossenen Türen hat Fabian Hambüchen nun doch noch den Lohn für seine sportliche Leistung geerntet.

Melbourne - Die Jury d'Appel revidierte am Mittwoch bei den Turn-Weltmeisterschaften in Melbourne nach mehr als dreistündiger Sitzung das Ergebnis der Qualifikation am Reck. Damit rutschte der Europameister aus Wetzlar als Achter des Vorkampfes zurück in das Finale. Erstmals seit sechs Jahren kann damit ein deutscher Turner bei einer Weltmeisterschaft wieder nach einer Medaille greifen. «Ich bin total erleichtert, dass alles noch sportlich fair geregelt wurde», meinte Fabian Hambüchen zufrieden.

Nach dem erneuten Kampfrichter-Skandal in der zurückliegenden Nacht hatte die Jury d'Appel nach Intervention der Deutschen noch einmal die Ausgangswerte aller Athleten überprüft und war zu dem Entschluss gekommen, dass die nach dem Wettkampf geänderte Wertung des Russen Nikolai Krjukow falsch war. Sein Trainer Alexander Gunkin hatte nach Bekanntgabe der Note Supervisor Sawao Kato bedrängt, den Ausgangswert von 9,7 auf 10,0 zu erhöhen. Damit war Krjukow mit der Note 9,65 an Hambüchen (9,60) vorbeigezogen und hatte dem deutschen Team eine schlaflose Nacht beschert. Die Jury reduzierte den Ausgangswert schließlich wieder auf 9,8 Punkte, damit rutschte Krjukow mit Note 9,45 von Rang sechs auf 16 ab.

Der nach Mitternacht eingelegte deutsche Protest, der akute Formfehler beim russischen Einspruch anprangerte, wurde schnell ad acta gelegt, nachdem das Problem anders aus der Welt geschafft worden war. Der Weltverband FIG hat damit einen Weg gefunden, nach den Kampfrichter-Skandalen von Athen erneute Unregelmäßigkeiten unter den Tisch zu kehren oder zumindest nicht zu sehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken zu lassen. Hätte der Protest behandelt werden müssen, wäre offenkundig geworden, dass Kato den mündlichen Protest der Russen gar nicht hätte entgegen nehmen und auf einer schriftlichen Form bestehen müssen.

In der offiziellen Pressekonferenz wurde durch FIG-Präsident Bruno Grandi der «große Sportsgeist» von Krjukow gewürdigt, der die Jury- Entscheidung anstandslos akzeptiert hatte. Im Gegenzug wurden Kato und die beiden A-Kampfrichter aus Taiwan und Schweden wegen der falschen Benotungen von der FIG verwarnt.

Als Fabian Hambüchen am Nachmittag die Glücks-Nachricht erfuhr, gab es für ihn kein Halten mehr: Sofort zog es ihn in die Trainingshalle. «Ich bin sicher, der Junge setzt das jetzt in Kraft um. Er hat nun die richtige Ladung. Mal sehen, was er daraus macht», sagte sein Mentaltrainer, Onkel Bruno Hambüchen. «Ich habe gestern schon gedacht, alles ist vorbei und habe die vergangene Nacht nicht berauschend gepennt», gestand hingegen der 18-jährige Turnstar. «Heute Mittag ging es mir wieder viel besser. Das Hickhack habe ich jetzt schon vergessen», fügte der WM-Finalist hinzu.

Sein Vater hatte zuvor aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht. «Das wäre glatter Betrug gewesen, wenn Fabian hier um seine Chance gekommen wäre», meinte Wolfgang Hambüchen. «Es stinkt doch gewaltig, wenn die Russen nicht den offiziellen Protestweg einhalten. Aber jetzt kann man froh sein, dass mit dem Video-Beweis solche Korrekturen möglich sind.»

«Wir sind mit dieser Lösung sehr zufrieden. Als die Sache zu unseren Gunsten entschieden war, haben wir nicht mehr nachgehakt, wo nun wer die Fehler gemacht hat», meinte DTB-Präsident Rainer Brechtken zur Politik der FIG diplomatisch. Sportdirektor Wolfgang Willam gestand hingegen, mit «flauem Gefühl» in die Gespräche gegangen zu sein, weil «man mit Protesten in der Vergangenheit nicht weit gekommen» sei. «Dennoch ist die Entscheidung nicht aus dem Bauch heraus gefällt worden, man hat sich an die Fakten gehalten.» (Von Frank Thomas, dpa)

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