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TV-Olympia: Bronze um halb sieben

Katrin Schulze über ihre Nächte vor dem olympischen Fernseher.

Von Katrin Schulze

Bloß nicht einschlafen! Lange kann’s nicht mehr dauern bis zum Eishockey. Noch aber zeigen sie Curling. Bei allem Interesse für Wintersport aller Art, um kurz nach ein Uhr nachts möchte ich mich nicht mehr darauf konzentrieren müssen, wer welchen Stein wie ins oder aus dem Häuschen schrubbt. Zeit verrinnt.

Geschafft: Das dumpfe Geräusch der aufeinanderrasselnden Curling-Steine wird vom aufputschenden Klackern des Pucks abgelöst. Die Winterspiele haben gerade erst begonnen – und ich halte mich für fit genug, nach langen Arbeitstagen auch noch die nächtlichen Übertragungen durchzuhalten. Ich will nichts verpassen. Anfangs klappt das noch ganz gut.

Dass ich schon für das Schauen der Eröffnungsfeier unverständliche Kommentare ernte („Endloses Pseudo-Kultur- Rumgehopse!“) – mir doch egal. In den kommenden Nächten schaue ich Eishockey, sehe die Rodler – und wenn ich schon mal wach bin, natürlich auch Shorttrack und Snowboard. Am Dienstag folgt der erste Höhepunkt mit der Kür von Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy; Bronze, nun ja, Gold hätte schon gut getan um halb sieben Uhr morgens.

Danach werde ich für meinen Einsatz mit spannenden Wettkämpfen belohnt. Und nicht nur ich: Mit mir schalten Millionen Menschen das Abfahrtsrennen der Frauen ein – mehr als das zeitgleiche Spiel der Fußball-Champions-League. Wie viele vor dem Fernseher beim Eisschnelllauf einnicken, lässt sich freilich nicht ermitteln. Gegen Ende der ersten Woche provoziert der Schlafentzug auch bei mir die ersten Aussetzer. Ich frage mich besorgt, ob ich gesund durch diese Olympischen Spiele komme.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag schlafe ich das erste Mal durch – Jewgeni Pluschenko läuft seine Kür ohne mich. Jetzt habe ich Kraft für die zweite Woche.

Meine Nacht wird die von Mittwoch auf Donnerstag: Zweierbob der Frauen und das überragende Eishockeyspiel zwischen Kanada und Russland, nach dem ich so aufgedreht bin, dass ich das Eiskunstlaufkurzprogramm der Frauen dranhänge. Um sieben Uhr morgens entschlummere ich zufrieden.

Der Enthusiasmus für die Spiele ist offenbar groß in Deutschland, selbst nachts um eins sehen sich noch fünf Millionen Menschen Bobrennen an. Trotzdem komme ich mir vor wie ein Exot: Mit niemandem kann ich mich über die nächtlichen Skeletonrennen austauschen. Biathlon und Ski Alpin – da sind alle dabei. Für Bob oder Eistanz stellt sich dagegen keiner den Wecker. „Was ist toll daran, irgendwelchen Verrückten beim Runterrutschen in einer Eisrinne zuzugucken?“, fragt ein Freund. „Du hast ’nen Knall.“

Ich, einen Knall? Pah. Ich habe eine Winterolympia-Biografie: Meine ersten Spiele, die ich noch im Kopf habe, sind die von 1992 in Albertville. Frauen dürfen erstmals im Biathlon ran! Ich habe 1994 nicht nur Markus Wasmeier gesehen, sondern auch das überraschende Gold von Harald Czudaj im Viererbob. Und ich habe für einige Wettbewerbe bei den Spielen 1998 in Nagano die Schule geschwänzt. Da finde ich es nur konsequent, auch alles für diese Spiele von Vancouver zu geben.

Doch dann, in der vorletzten Nacht, passiert es: Gleich beginnt das Eishockeyspiel zwischen Kanada und der Slowakei. Es ist kurz vor drei. Wieder mal kommt Curling. Ich bin am Ende. Und schlafe ein.

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