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Manchmal kann es in der Halle drunter und drüber gehen.

© Joulux

Typologie eines Amateurteams: Kompromissloser, Steher und Kümmerer: Charaktere des Berliner Hallenfußballs

Draußen ruht der Ball. Aber unter dem Dach geht es in Berlins Hallen rund. Ein launiger Blick auf die verschiedenen Charaktere.

Draußen ist Winterpause. Aber unter dem Dach rollt der Ball. Bis Mitte Februar suchen die verschiedenen Ligen in Berlin nun ihre besten Mannschaften in der Halle. So findet beispielsweise an Neujahr die Endrunde der Landesliga in der Sporthalle Schöneberg statt (15 Uhr). Ebenfalls in Schöneberg spielt am Dienstag die Kreisliga A eine Vorrunde aus (18 Uhr). Wir verraten Ihnen, welchen interessanten Köpfen Sie beim Amateurfußball in der Halle begegnen können. Eine Typologie der verschiedenen Charaktere einer Mannschaft auf und neben dem Parkett:

Der Kompromisslose

Gibt auf dem Feld meist den guten alten Libero. In der Halle verzichtet er nach eindringlichem Zureden drauf, als freier Mann weit hinter der Abwehr zu agieren. Hievt seine 110 Kilo bei eigenen Angriffen bis zur Mittellinie, um dann wild zu gestikulieren. Bekommt er endlich den Ball, wird draufgehalten. Im Idealfall hängt die Pille im Dreiangel. Im häufigeren und weniger idealen Fall müssen sich die neben dem Tor sitzenden Ersatzspieler des Gegners per Hechtsprung in Sicherheit bringen.

Der Steher

Schaut bereits nach dem ersten Gruppenspiel nervös zur Uhr. Das kann sich ziehen hier. Dabei sieht das Frischgezapfte am Imbissstand so verlockend aus. Zwei Stunden später, Sonntag um 12 Uhr, ist die Vorrunde endlich vorbei. Der Steher holt erstmal zehn Pils für die Mannschaft. Danach führt er die Kolonne der Durstigen in den Vorraum zum Imbiss. Um 15 Uhr meldet sich der Hallenwart, er würde gern langsam abschließen. Zum Glück kennt der Steher zwei Straßen weiter eine schöne Kneipe. „Hat lange offen“, kommentiert er lächelnd.

Der Unkontrollierte

Zeigt gewisse Parallelen zum Kompromisslosen. Allerdings hat er sein Temperament weniger gut unter Kontrolle. Manchmal schafft er es tatsächlich, das erste Spiel ohne Zeitstrafe hinter sich zu bringen. Was vor allem daran liegt, dass er nur 45 Sekunden auf dem Parkett steht. Spätestens in Spiel zwei erwischt es ihn: Entweder wegen eines freundlichen „Du Piepe verpfeifst uns jedes Mal“ Richtung Schiri oder für ein Einsteigen an der Bande, das selbst hartgesottene Zeitgenossen zusammenzucken lässt.

Der Einspringer

Auf dem Feld meist bei der Ü50 aktiv. In der ersten und zweiten Mannschaft. Ist aber stets gern in der Halle dabei, wenn er von den ersten Männern gebraucht wird, lässt sich aber etwas bitten: „Hm, passt zeitlich nicht so gut. Aber okay, ich komme. Weil ihr es seid.“ Natürlich ist die Tasche längst gepackt. Während Künstler, Kompromissloser und Co. nach dem vierten 0:4 in Folge die Lust verlieren, jagt der Einspringer weiter wie ein junges Reh durch die Halle. Gibt gern einen aus, wenn er ein Tor macht. Dafür hat er beim Steher einen Stein im Brett.

Der Akribische

Studiert Mathematik. Auf dem Parkett ist er nicht so die Hilfe. Aber in Sachen Tabellen und Zwischenstände hat er den Durchblick. Trägt jedes Ergebnis sorgfältig in die dafür vorgesehenen Spalten des Programmheftes ein. Wird spätestens vor den letzten Gruppenspielen zum gefragtesten Mann bei den Teamkollegen: „Wie ist denn nun die Konstellation?“ Lehnt sich dann zurück und beginnt mit einem „Alsoooo.“ Pause. „Ist nicht einfach.“ Pause. Nach zehn Minuten hat er grad die achte von zwölf Möglichkeiten durch („Wenn wir mit vier Toren Unterschied gewinnen und das Spiel danach 6:6 oder höher ausgeht, sind wir Erster. Sonst vielleicht auch. Hängt davon ab …“). Da unterbricht der Einspringer: „Alles klar, Junge. Am besten, wir gewinnen einfach.“

Der Könner

Vereinsmitglied seit Geburt. Klubs aus höheren Ligen hätten ihn gern geholt, doch er ist nie weg. Bekleidet inzwischen den Posten des Jugendwarts. War in der Halle schon mehrmals Torschützenkönig oder bester Spieler des Turniers. Oder beides. Er kann es einfach. Das bringt ihm bewundernde Blicke des Akribischen ein. Aber Auszeichnungen sind dem Könner egal. Hauptsache, er kann mit seinen Jungs zusammenspielen.

Der Künstler

War mal bei Hertha BSC. In der C-Jugend. Oder war es die D-Jugend? Oder kannte er nur einen, der in der D-Jugend bei Hertha war? Egal. Er selbst wird es wissen. Er weiß auch, dass er einen ganz ordentlichen Ball spielt. Lässt gleichzeitig die Mitspieler merken, dass er diese Gabe bei ihnen vermisst. Diese Einstellung ärgert den Könner. An einem guten Tag schnappt sich der Künstler die Kugel, lässt alle vier Gegenspieler stehen und spielt danach den Torwart aus. An einem lustlosen Tag verliert er den Ball auf dem Weg nach vorn und es schlägt hinten ein. 4:5 in der Schlusssekunde, Turnier-Aus. Das bringt den Unkontrollierten in Wallung.

Der Bemitleidenswerte

Manchmal steht ein Trüppchen mehr oder minder motivierter Jungs Sonntagfrüh in der Kabine und merkt: Es fehlt ein Torwart. Vier Mann sind so schnell umgezogen und raus zum Warmmachen wie noch nie. Einer hat es plötzlich im Rücken. Der Rest muss auf Toilette. „Na gut“, nimmt der Bemitleidenswerte das Unvermeidliche schicksalsergeben hin, „geh ich eben ins Tor. Wo sind die Handschuhe?“ Betretenes Schweigen. Die hat der Torwart. Aber der ist ja nicht da. Fünf Spiele und 26 Gegentore später heißt es von den Mitspielern: „Klasse gehalten. Solltest jedes Jahr in den Kasten gehen.“

Der Kümmerer

Ist seit 1963 im Verein. Verantwortlich für – irgendwie alles. Jetzt sind Trainer und Co-Trainer im wohlverdienten Urlaub. Daher steigt er in der Halle auf. „Chefcoach“, nennt er sich selbst. Nur halb im Scherz. Neben den üblichen Aufgaben wie Trikots verteilen und Wasser schleppen, ist er für die Taktik zuständig. Denkt er zumindest: „Männer, lange Bälle nach vorn. Dann schauen wir mal.“ Der Könner stellt das später im Spiel natürlich um. Und erklärt dem Kümmerer in aller Freundschaft unter vier Augen, dass in der Halle im Regelfall ohne Abseits gespielt wird.

Der Unterstützer

Trägt den vom Verein neu herausgegebenen Schal. Man gönnt sich ja sonst nichts. Sitzt immer in der dritten Reihe zwischen den Spielern, wenn diese nicht grad aufs Parkett müssen. So kann er auf kürzestem Wege wichtige Infos zu den Gegnern weitergeben („Passt mir auf den Zehner auf. Hat einen richtigen Hammer.“) Erinnert sich gern zurück an Platz drei in der Hallenrunde 1981 („Gute Truppe hatten wir damals.“). Die Spieler mögen ihn: „Mensch Egon, toll, dass Du auch wieder da bist.“ Nicht nur, weil er immer den großartigen selbstgebackenen Kuchen seiner besseren Hälfte Gisela dabei hat.

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