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Ein echter Leadertyp. Emre Can erinnert in seiner Art schon an Sami Khedira.

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U-21-Nationalmannschaft bei der EM: Emre Can: Ein Typ wie Sami Khedira

Die deutsche U-21-Nationalmannschaft spielt am Dienstagabend gegen Gastgeber Tschechien um den Einzug ins EM-Halbfinale und die Olympia-Qualifikation. Emre Can vom FC Liverpool ist der Leader des deutschen Teams.

Er ist eine Erscheinung. Groß, breitschultrig, die dunklen Haare tadellos frisiert. Ein Athlet, der der Statur nach auch Zehnkämpfer sein könnte. Doch es ist nicht nur die Physis, die Emre Can auszeichnet: Can hat einen feinen Fuß – und mit seinen erst 21 Jahren im Fußball schon mehr Stationen gesehen als mancher während der gesamten Karriere. Diese Erfahrung, sagt Trainer Horst Hrubesch über den Leader der deutschen U-21-Auswahl, die heute im letzten Gruppenspiel im Prager Eden-Stadion gegen Tschechien um den Einzug ins Halbfinale spielt, trage zur Ausstrahlung bei: "Der hat sich entwickelt. Und wenn der auftritt, dann ist klar: Hier kommt der Emre Can."

Emre Can spielt in Liverpool. Er kam aus Leverkusen, wo er ein Jahr lang überzeugt hatte, nachdem er sich als Juniorenspieler in der ersten Mannschaft der Bayern nicht durchsetzen konnte. Er ist vielseitig. Er kann sowohl in der Dreierkette verteidigen als auch im defensiven Mittelfeld das Spiel ankurbeln. Beide Positionen hat er in Liverpool gespielt, und mittlerweile hat Can sich nicht nur beim Anhang einigen Kredit erspielt. Der widmete ihm ein Lied: "Emre Can, he is our magic man" heißt der Refrain, der ignoriert, dass der Nachname "Tschaan" gesprochen wird. Auch Trainer Brendon Rogers beschwört die Entwicklungschancen des Youngsters: "Emre ist sich für die Drecksarbeit nicht zu schade. Er ist aggressiv und ich denke, er wird sich zu einem Weltklassespieler entwickeln."

Tatsächlich scheint das Vertrauen in ihn groß zu sein. Liverpool war nicht auf dem Transfermarkt aktiv, um einen Nachfolger für den legendären Steven Gerrard zu suchen, der seine Karriere beendet hat. Diese Rolle soll der "magic man" spielen. Im Netz kursieren nicht nur Videos mit seinen besten Aktionen, sondern auch solche, die ihn als den "next Gerrarrd" beschwören.

Dem in der Frankfurter Nordweststadt aufgewachsenen Deutsch-Türken gefällt die Wertschätzung. An Selbstvertrauen hat es ihm eh nie gefehlt. Die Engländer täten ihm "jetzt schon leid", wenn es gegen sie bei der U-21-EM ginge. Solche Aussagen werden in der neuen Heimat sportlich genommen, sorgen aber gewiss nicht dafür, dass der Druck auf die DFB-Auswahl und Can schwindet. Aber das ficht ihn nicht an: "Ich bin von meinem Typ her einfach ein Führungsspieler."

Im Klub der Führungsspieler, dem FC Bayern, war kein Platz im ersten Team. Das kränkt Can, doch es ist ein Ansporn: "Die Bayern werden es noch bereuen, mich gehen gelassen zu haben", sagt er. Im letzen Spiel gegen die Dänen hatte er einen Mann an seiner Seite, der dem FC Bayern 8,5 Millionen Euro wert war und der sich nun auf eine gute Zeit in München freut: Joshua Kimmich. Dass Kimmich, der defensivere Part der beiden, vom Rekordmeister umschmeichelt wurde, hat Can registriert. Dass ihm die Sachlichkeit, die Kimmich auszeichnet, manchmal guttäte, lässt ihn aber nicht zweifeln. Emre Can ist auch einer, dem es gelingt, mit seiner Attitüde eigene Defizite zu verdecken. Etwa dass er mit dem Ball nicht so sprintstark unterwegs ist, oder dass er manchmal im Umschaltspiel den richtigen Moment für den Pass verpasst. Aber es sind eben auch wunderbare Aktionen wie sein Tor gegen die Serben und der Pass zum 1:0 gegen Dänemark, die zeigen, was für ein Potenzial in ihm steckt. Und mit seiner vorzüglichen Athletik ist Emre Can vielleicht irgendwann mal in der Lage, auch in der A-Nationalmannschaft so dynamisch zwischen beiden Strafräumen zu wirken, wie es Sami Khedira in seinen besseren Tagen getan hat.

Stefan Osterhaus

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