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Jubel-Okan. Der zweifache Torschütze beim 4:3-Sieg gegen Brasilien, Okan Aydin, steht bei Bayer Leverkusen bis 2016 unter Vertrag. Foto: AFP

© REUTERS

U17-WM: Pässe in die Spitze

Die U-17-Spieler zaubern brasilianisch, haben türkische Wurzeln und eine Zukunft im deutschen Fußball. Im Spiel um Platz drei besiegen sie Brasilien nach 1:3-Rückstand noch 4:3.

Berlin - 1994 war kein gutes Jahr für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Beim WM-Turnier in den USA blamierte sich das Team von Trainer Berti Vogts durch Stefan Effenbergs Mittelfinger und später durch das Aus im Viertelfinale gegen Bulgarien. Nun, 17 Jahre später scheint es, als sei 1994 doch ein gutes Jahr für den deutschen Fußball gewesen. Denn damals kamen jene Spieler zur Welt, die am Sonntagabend ihre mitreißende Leistung bei der U-17-WM in Mexiko mit dem dritten Platz krönten – und denen nach Meinung vieler Experten die Zukunft in der Bundesliga oder gar der Nationalmannschaft gehört.

„Die Spieler sind bärenstark, haben unglaubliche Qualitäten“, sagte Trainer Steffen Freund dem Tagesspiegel und fügte nach dem berauschenden 4:3-Sieg gegen Brasilien hinzu: „Das Team hat eine Moral und einen Willen gezeigt, wie man ihn nicht oft sieht.“ Denn vor 80 000 Zuschauern im Aztekenstadion hatte seine Mannschaft einen 1:3-Rückstand innerhalb von 30 Minuten in einen 4:3-Sieg verwandelt. Nicht nur das: Mit One-Touch-Fußball, Kabinettstückchen und schnellen Kombinationen in die Spitze spielten sich die Deutschen in einen Rausch, so dass man glaubte, sie hätten ihren brasilianischen Gegenspielern den Personalausweis gestohlen.

„Wir wussten, dass wir dieses Spiel drehen können, bei uns ist einer für den anderen da“, sagte Koray Günter nach dem Spiel. Der Abwehrspieler von Borussia Dortmund, der das 2:3 schoss, gehört zu den Leistungsträgern des Teams. Seine Abgeklärtheit und Zweikampfstärke beeindruckte schon die Scouts diverser englischer Topklubs. Ähnlich verhält es sich bei Kapitän Emre Can vom FC Bayern, dem durchsetzungs- und spielstarken Mittelfeldspieler, oder Okan Aydin, dem zweifachen Torschützen. Bayer Leverkusen hat mit Aydin und Samed Yesil, der zu einem der besten Spieler des Turniers gewählt wurde, zwei herausragende Talente langfristig bis 2016 an sich gebunden.

Auch der DFB sieht die Zukunft der hochveranlagten Spieler mit türkischen Wurzeln auf seiner Seite. DFB-Sportdirektor Matthias Sammer kanzelte kürzlich Aussagen des türkischen Europascouts als „Unsinn“ ab, wonach die Spieler ihre Zusage für die türkische A-Elf gegeben hätten. Steffen Freund findet die Debatte verfrüht, Beispiele wie Nuri Sahin und Mesut Özil zeigen jedoch, welche Bedeutung die Entscheidung haben kann.

Doch nur wenigen ist es überhaupt vorbehalten, nach Erfolgen in den Jugendnationalteams auch eine Karriere in der A-Nationalmannschaft folgen zu lassen (siehe Kasten). Gerade der Sprung vom Junioren- in den Seniorenbereich sei schwierig, sagt Freund. Noch fehlt den technisch brillanten Spielern die Abgeklärtheit: Sie ließen sich zu sehr von den Emotionen tragen. Selten wurde das Tempo gedrosselt, sie gingen viele unnötige Wege – so schwand die Kraft im Halbfinale gegen Mexiko, das später durch ein 2:0 gegen Uruguay Weltmeister wurde. Den Deutschen fehlt noch die nötige Erfahrung, doch eine kann ihnen keiner mehr nehmen: Vor 80 000 Zuschauern Brasilien zeitweise vorgeführt zu haben.

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