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Sport: Üben mit dem kleinen Ball

Während der DFB über Bernhard Peters diskutiert, trainiert der mit seinen Hockeyspielern Strafecken

Es dauert nicht lange, bis Timo Weß erkennen muss, dass die aktuelle Prominenz eines Hockey-Nationalspielers nur eine geborgte ist. Bevor er den Platz betritt, soll er ein Interview fürs Fernsehen geben, und zunächst einmal fragt der Reporter Weß nach seinem Namen und ob er auch „National-Hockeyspieler“ sei. Weß ist sogar Kapitän der Nationalmannschaft, und er lässt sich nichts anmerken, als der Mann vom Fernsehen seine erste Frage vom Blatt abliest: „Kann der Herr Bernhard Fußball spielen?“

Der Herr Bernhard heißt Bernhard Peters, er ist Trainer der Hockey-Nationalmannschaft und soll Technischer Direktor beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) werden. Jedenfalls wünscht Bundestrainer Jürgen Klinsmann das, und möglicherweise fällt heute eine Entscheidung, wenn das Präsidium des DFB in Frankfurt zusammenkommt. Ob er selbst nach Frankfurt reise, wisse er noch nicht, sagt Peters. „Ich hab keine Ahnung. Da müssen Sie sich bei anderen Leuten erkundigen.“

Eigentlich passt der Termin nicht in seinen Zeitplan. Wenn heute um 15 Uhr das DFB-Präsidium zusammentrifft, geht in Mönchengladbach gerade ein zweitägiger Lehrgang der Hockey-Nationalmannschaft zu Ende, und Peters ist viel zu sehr Preuße, um seine Arbeit für einen privaten Termin zu vernachlässigen. In der vergangenen Woche, als sein Name an die Öffentlichkeit gelangt war, hat der Bundestrainer seinen Spielern eine E-Mail mit den letzten Informationen zum Lehrgang geschickt. Von den Spekulationen um seine Person: kein Wort. Erst gestern hat er seine Spieler offiziell informiert.

So aufregend die Zeiten für Hockey-Nationalspieler gerade sind, der Alltag an diesem Morgen fällt trist aus. Graue Wolken hängen über der Anlage des Gladbacher HTC, ein frischer Wind weht und es nieselt. Peters, den die Spieler Bernie nennen, trägt dicke Handschuhe. Ein Fernsehteam ist gekommen, ein Radioreporter, ein Fotograf. Für Hockeyverhältnisse ist das ein riesiger Auflauf. „Einmal vor Olympia waren ein paar Journalisten da“, sagt Kapitän Timo Weß.

Wenn es nach dem Deutschen Hockey-Bund (DHB) geht, dürfte sich die Entscheidungsfindung beim DFB ruhig hinziehen. So prominent wie zuletzt wurde selten über die Sportart berichtet. Die positive Resonanz macht es ein bisschen erträglicher, dass der DFB in Sachen Peters bis heute keinen Kontakt zum Hockey-Bund aufgenommen hat. „Leider nicht“, sagt Uschi Schmitz, die Vorstandsvorsitzende, „das hätten wir eigentlich erwartet.“

Die Hockeyspieler trainieren an diesem Dienstag dreimal je anderthalb Stunden: Strafecken, Strafecken, Strafecken. Schlagen. Stoppen am Kreis. Auflegen. Fintieren. Torschuss. Die Spieler schaffen hundert Ecken pro Stunde, und man bekommt eine Ahnung davon, was der Fußball vom Hockey lernen kann: den Willen zur Perfektion. Peters’ Vorgänger Paul Lissek hat mehr als 50 verschiedene Eckenvarianten einstudieren lassen, in der Praxis werden zehn bis fünfzehn gespielt. Für Hockeyspieler ist es unverständlich, wie wenig Fußballer aus Standards machen. Beim Hockey wird von zwei gleichstarken Teams in der Regel das gewinnen, das weniger Strafecken vergibt. Bernhard Peters beschäftigt in seinem Trainerstab einen Spezialisten, der sich ausschließlich mit Strafecken befasst. „Professor Strafecke“ wird Werner Wiedersich genannt, ein Tüftler aus Leipzig, der mit biomechanischen Untersuchungen den gesamten Bewegungsablauf aufgeschlüsselt hat und nach Verbesserungsmöglichkeiten sucht. Er hat den Spielern schon einmal eine Helmkamera auf den Kopf gesetzt, die die Bewegungen der Iris misst. Wiedersich wollte zeigen, dass die Eckenschützen dem Ball nur hinterherschauen und nicht mehr auf die Bewegung des Torhüters und der Abwehrspieler reagieren, dabei würde das die Erfolgschancen erheblich vergrößern.

„Wenn man sich bemüht, den Transfer richtig hinzubekommen, können beide Sportarten, Hockey und Fußball, voneinander lernen“, sagt Bernhard Peters. Am Nachmittag, zum Aufwärmen für die zweite Trainingseinheit, spielen die Hockey-Nationalspieler Fußball.

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