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Sport: Überall Schulterklopfer

Borussia Dortmund droht an Selbstzufriedenheit zu scheitern

Brügge. Trond Sollied, Trainer des FC Brügge, hatte vor dem Vergleich des Belgischen Meisters mit Borussia Dortmund ein starkes Bild gezeichnet. Die Herausforderung, gegen die Deutschen zu bestehen, sei für seine Mannschaft wie die „Besteigung des Mount Everest“. Wenn der Norweger da nicht mal zu hoch gegriffen hat. Dortmund verlor das Hinspiel der Champions-League-Qualifikation kläglich mit 1:2. „Die erste Halbzeit war eine Katastrophe“, sagte Nationalspieler Christian Wörns. Die Ursache dafür war die fehlende Einstellung der Dortmunder Mannschaft: „Wenn ich sehe, dass Brügge 30 Prozent mehr läuft als wir, stimmt mich das bedenklich“, sagte Sportdirektor Michael Zorc.

Das eine Dortmunder Tor durch Amoroso hatte im Jan-Breydel-Stadion vieles beschönigt. Warum sich die Mannschaft nach dem beeindruckenden 4:0 gegen Wolfsburg in Belgien hasenfüßig über den Platz bewegte, blieb ein Rätsel. Dabei hatte BVB-Präsident Gerd Niebaum ein couragiertes Auftreten gefordert. „Es macht wirtschaftlich einen deutlichen Unterschied, ob wir in der Königsklasse oder im Uefa-Cup spielen.“ Auf über 40 Millionen Euro hatten sich die Einnahmen in der vorigen Saison summiert, Geld, das der Verein in seiner wirtschaftlich angespannten Situation dringend benötigt.

Um seinen Profis den Ernst der Lage zu verdeutlichen, hatten sie in Dortmund die Prämien für die abgelaufene Saison eingefroren und die Ausschüttung von einer erfolgreichen Qualifikation abhängig gemacht. Doch wie in der jüngeren Vergangenheit präsentiert sich Borussia Dortmund unberechenbar. Ein Umstand, der Trainer Matthias Sammer ratlos zurückließ. „Wir haben hier wieder diese Krankheit erlebt, die Selbstzufriedenheit heißt.“ Tatsächlich taucht dieser Befund im Dortmunder Lager so regelmäßig auf wie eine Grippewelle im nebligen Herbst. Wenn der ehrgeizige Sachse davon berichtet, wie er vergeblich versucht gegenzusteuern, ist die Verzweiflung greifbar.

„Der Trainer redet sich den Mund fusselig“, sagt Wörns, „doch bei uns besteht immer die Gefahr, dass wir uns nach glorreichen Spielen hängen lassen. Irgendwie setzt da kein Lernprozess ein.“ Gemeint sind die jungen Spieler. „Die Jungs sind manipulierbar. Die hören Mozart hier, Weltklasse da – überall Schulterklopfer. Da können sie nicht mit umgehen.“ Auch Sammer zeichnet ein düsteres Bild von der mentalen Verfassung seiner Profis: „Wenn du so tief drinsteckst, ist es relativ schwer, da wieder rauszukommen.“ Der Patient Borussia, ein Fall für die Couch? Sammer befindet sich in einem Dilemma. Indem er einräumt, seine Mannschaft nicht zu erreichen, stellt er auch sich als Trainer infrage. Immerhin bleibt den Dortmundern ja noch das Rückspiel. Das Problem dabei: Der FC Brügge wähnt sich auf einem guten Weg. „Wir haben noch einen zweiten Tag, um den Gipfel zu erklimmen“, sagte Trond Sollied. „Schließlich sind wir eine gute Auswärtsmannschaft.“ Es klang wie eine Drohung.

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