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Uefa-Cup: Ein Finale ist nicht genug

Endspiel um den Uefa-Cup in Istanbul. Werder Bremen trifft auf Schachtjor Donezk. Trainer Lucescu muss bei den Ukrainern die hohen Ansprüche des Oligarchen Achmetew befriedigen.

Dario Srna findet, die Türken seien ihm noch einen Gefallen schuldig. Vor bald einem Jahr spielte der Verteidiger mit der kroatischen Nationalmannschaft um den Einzug ins Halbfinale der Europameisterschaft. Bis in die Nachspielzeit der Verlängerung lagen sie in Führung, doch dann schafften die Türken mit einem Glücksschuss noch den Ausgleich. Über das anschließende Elfmeterschießen mag Srna nicht mehr so viel erzählen. Jedenfalls kamen die Türken weiter, und da sei es doch das Mindeste, dass sie ihn und Schachtjor Donezk lautstark anfeuern, am Mittwoch im Uefa-Cup-Finale von Istanbul. Immerhin geht es gegen Werder Bremen, „und mit den Deutschen haben die Türken nach der Europameisterschaft doch auch noch eine Rechnung offen“.

Nicht nur Schachtjors kroatischer Kapitän Dario Srna träumt von einem ganz besonderen Wiedersehen mit der Türkei. Auch Werders Deutsch-Türke Mesut Özil hat eine tiefe Beziehung zu Istanbul (siehe nebenstehenden Text), und dann ist da noch Mircea Lucescu, Schachtjors rumänischer Trainer. Der Mann hat das Kunststück fertiggebracht hat, bei gleich zwei der untereinander heftigst verfeindeten Istanbuler Spitzenklubs Heldenstatus zu erlangen. 2002 führte er Galatasaray zur Meisterschaft, ein Jahr später gelang ihm das Gleiche mit Besiktas, und natürlich hat er die türkischen Fans nur in allerbester Erinnerung. „Sie sind einfach fantastisch“, sagt Lucescu, „ganz egal, ob sie für Galatasaray sind, für Besiktas oder für Fenerbahce.“

Das mit Fenerbahce ist ein nicht ganz unwichtiger Hinweis. Lucescu hat seine großen Erfolge im europäischen Teil Istanbuls gefeiert. Das Finale aber findet auf asiatischem Territorium statt: im Sükrü-Saracoglu-Stadion von Fenerbahce, von dem selbst mancher Galatasaray-Fan behauptet, dass es die beste Atmosphäre überhaupt im türkischen Fußball biete.

Mircea Lucescu ist ein bulliger Mann mit grauer Löwenmähne. Gern erzählt er von seiner Aufbauarbeit, „ich fange überall bei null an und liebe es, aus jungen Spielern erfahrene Spieler zu machen“. Das ist ein ehrenwertes Unterfangen, aber nicht genug für Schachtjors Ansprüche. Der Klub wird geführt von Rinat Achmetew, einem milliardenschweren Oligarchen mit allen negativen Eigenschaften, die dieser Spezies gemeinhin nachgesagt werden. Bernd Schuster brach sein Engagement als Trainer in Donezk nach elf Monaten ab, als ihm der Klubchef Mannschaftsaufstellung und Trainingsinhalte diktieren wollte. Und vor zwei Jahren, so berichtet die „Neue Zürcher Zeitung“, habe Achmetew höchstpersönlich mit einem Baseballschläger die Autos seiner Spieler demoliert. Lucescu kam in dieser Saison nur deshalb um eine Entlassung herum, weil Schachtjor nach enttäuschendem Saisonstart noch Platz zwei in der Liga und damit die Qualifikation für die Champions League schaffte.

Der rumänische Trainer sieht sich in Donezk permanent dem Verdacht ausgesetzt, er bevorzuge die kleine brasilianische Kolonie und benachteilige zugleich die einheimischen Kräfte. Fünf Brasilianer spielen für Schachtjor, sie leben angeblich zurückgezogen in Luxusapartments ohne jeden Kontakt zur Bevölkerung oder ihren ukrainischen Kollegen. Der Spielmacher Matuzalem hielt es drei Jahre aus, ehe er 2007 nach Spanien zu Real Saragossa floh. Sein Vertrag lief aber über fünf Jahre, so dass der Internationale Sportgerichtshof Cas gestern entschied, dass Saragossa zwölf Millionen Euro Entschädigung an Donezk zahlen muss.

Der aktuell prominenteste Brasilianer in Donezk ist Fernandinho, ein flinkes Bürschchen, vor sechs Jahren hat er für Brasilien das Tor zum 1:0-Sieg über Spanien im Finale der Junioren-WM geschossen. Pflichtschuldig sagt Fernandinho, der Einzug ins Uefa-Cup-Finale sei der größte Erfolg überhaupt seiner Laufbahn, „vor allem, weil ich das mit Schachtjor geschafft habe, denn ich liebe diese Mannschaft“. Und immerhin waren es zwei seiner Landsleute, Ilsinho und Jadson, die im Halbfinal-Rückspiel die Tore zum 2:1-Sieg gegen Dynamo Kiew schossen.

Der Triumph über den ewigen ukrainischen Rivalen besänftigte Klubchef Achmetew ein wenig. Mircea Lucescu geht davon aus, dass er weiter für Schachtjor arbeiten darf, auch wenn in den ukrainischen Zeitungen schon Carlos Ancelotti als neuer Trainer gehandelt wird.

Ein Sieg über Werder würde Lucescu das Arbeiten schon ein wenig einfacher machen, auch wenn sein Chef Größeres im Sinn hat als den Uefa-Cup. Daheim in Donezk lässt Achmetew ein neues Stadion für die Europameisterschaft 2012 bauen, es ist eine ziemlich genaue Kopie der Münchner Allianz-Arena. Dort soll einmal eine der besten Mannschaften der Welt spielen, und das lieber morgen als in der nächsten Woche. Als vor dem Istanbuler Finale ein Reporter wissen will, ob denn Schachtjor Donezk schon auf einem Niveau mit Manchester United sei, da muss sogar Dario Srna lachen. Guter Witz, „lassen Sie uns lieber über das Spiel gegen Werder reden, das wird schwer genug“.

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