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Diego

© dpa

Uefa-Cup: Werder Bremen: Hoffnung und Gegrummel

Werder Bremen setzt im Uefa-Cup gegen den AC Mailand wieder auf Diego, obwohl der Brasilianer den Klub zuletzt mit seinen Eskapaden genervt hat.

In der Beschreibung der Marke Werder Bremen, die jeder der vier Geschäftsführer des Klubs auf seinem Schreibtisch liegen hat, steht unter anderem folgendes: volksnaher Verein mit familiärem Umfeld. Deshalb würde man an der Weser nie auf die Idee kommen, vom Kabinentrakt der Profis bis zum Trainingsplatz ein Sperrgebiet zu errichten. Kontakt mit den Fans, und sei er noch so kurz, ist ausdrücklich gewünscht. Was einem wie Diego, trotz aller Schlagzeilen der erklärte Liebling in Bremen, alltäglich den Gang zur und von der Übungsstätte erschwert. Da noch bitte ein Autogramm, und dort noch ein Foto, Diego lächelt oft, erfüllt viele Wünsche, klatscht Kinder ab. Manchmal kommt es vor, dass er deshalb als Letzter auf dem Platz erscheint. Was ihm aber jeder verzeiht: Diego, ein Genussfußballer, braucht diese kleinen Auftritte, um auf der großen Bühne zu glänzen.

Dort geht für den 23-jährigen Brasilianer endlich wieder der Vorhang auf. Heute zur Zwischenrunde im Uefa-Cup, in dem sein Verein das große Los gezogen hat: Der AC Mailand kommt heute (20.35, live im ZDF) Uhr mit allen Stars ins Weserstadion, Beckham und Ronaldinho, Seedorf und Pato, Maldini und Inzaghi. Nur Kaka, sein Freund aus der Selecao, wie Diego sagt, mit dem er vor drei, vier Tagen noch telefoniert habe, wird wohl verletzt fehlen. Vielleicht können die Bremer darauf hoffen, dass die Italiener vom endlosen Wechseltheater um Beckham abgelenkt sind. Am Dienstag berichtete die „Gazzetta dello Sport“, nach dem Spiel in Bremen werde eine Klubdelegation nach Kalifornien fliegen, um den Engländer endgültig von seinem Verein Los Angeles Galaxy loszueisen.

Nicht nur wegen der großen Namen beim Gegner lechzt Werders Nummer Zehn nach diesem Auftritt. Drei Bundesligaspiele hat Diego 2009 gesperrt nur zugeschaut, sein Arbeitgeber holte in dieser Zeit einen mickrigen Punkt. „Diego kann ein ganzes Spiel mit einer einzigen Aktion entscheiden“, sagt Frank Baumann. Alle anderen Bremer, auch der heute wegen seiner fünften Gelben Karte gesperrte Torsten Frings, können das nicht. Nicht von ungefähr hat Werder in diesem Jahr nur im Pokal in Dortmund gewonnen, mit und dank Diego. Ohne ihn ging es steil bergab, trotzdem hat Diego große Ziele: „Ich will den Cup gewinnen.“ Der Rückkehrer beziffert die Chancen gegen Milan auf 50 Prozent, „wir haben zu Hause schon Chelsea, Inter und Real geschlagen“. Das stimmt. Doch Diego hat im ZDF-Sportstudio am Samstagabend selbst eingeräumt, dass vieles in der Mannschaft nicht stimmig ist: „Es fehlt nicht die Qualität, es fehlt die Einstellung, die Konzentration.“

Harte Worte, die Klaus Allofs und Thomas Schaaf nicht gerne hören – am liebsten würden Sportchef und Trainer das Einstellungsproblem negieren. Doch das kann man ebenso wenig wie den Sonderstatus des begnadeten Spielmachers. Kein anderer produzierte so viele Nebengeräusche, etwa unschöne Verspätungen (beim Training) oder unerwünschte Extratouren (nach Peking), eine unerlaubte Alkoholfahrt oder ein wohl unrechtmäßiger Erwerb des Führerscheins. Das sorgt sogar teamintern für hörbares Gegrummel, allen voran beim Chefkritiker Frings. Die beiden Führungsspieler sind sich nicht grün: Würde Diego am Saisonende weggekauft – vom auch mal um Frings buhlenden Spitzenklub Juventus Turin? – würde das Werders Wortführer wohl am wenigsten stören. Fakt ist, dass das öffentliche Geturtel mit Popsängerin Sarah Connor vielen im Verein auf den Geist ging, was die Frage provozierte, ob sich Diego in Beckham-Sphären begeben wolle. Nein, er sei Fußballer und kein Kinostar, richtete er aus. Und stellte klar: „Die Leute gratulieren mir nicht, weil ich in irgendeinem Magazin auftauche. Die Leute gratulieren mir, wenn wir gewinnen.“

Das klingt vor dem heutigen Highlight schon mal nicht schlecht. Die Fernsehübertragung der Partie bringt Werder zusammen mit dem ausverkauften Stadion Einnahmen von 1,5 Millionen Euro. Fast die gleiche Summe gäbe es am 4. März zu verdienen, käme Werder im DFB-Pokal-Viertelfinale in Wolfsburg weiter. Die Cup-Wettbewerbe sind die letzte Hoffnung, eine ziemlich verkorkste Saison noch zu retten. Doch es kann sowohl gegen Milan als auch in Wolfsburg schiefgehen und die Aufholjagd in der Liga nicht gelingen, aber „dann schreiben wir am Saisonende trotzdem eine kleine sympathische schwarze Null“, sagt Vorstandschef Jürgen L. Born. Die Geschäftsführung versucht, jeden Druck für den Verein klein zu reden. Doch ob Diego sich eine Spielzeit ohne internationale Plattform antun wird, ist eine andere Frage. Nur die Ovationen auf dem Weg zum Training am Bremer Osterdeich reichen ihm wohl kaum.

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