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Mächtiger unter Mächtigen. Villar (mit Akkreditierung um den Hals neben Frankreichs Präsident Hollande).

© dpa

Uefa-Übergangschef: Angel Maria Villar, der Schattenmann

Angel Maria Villar wird dem EM-Finalsieger den EM-Pokal überreichen. Der Uefa-Übergangschef steht für das undurchsichtige Funktionärswesen des Fußballs.

Wenn die neuen Europameister an diesem Sonntag im Stade de France den Pokal entgegennehmen, wird sich der eine oder andere Zuschauer fragen: Wer ist denn der grauhaarige Mann mit dem Silberpott in den Händen? Oder auch nicht, wenn sich der amtierende Chef des europäischen Fußballverbandes Uefa bei der Übergabe erneut hinter den jubelnden Spielern anschleicht. So hatte er es bei der Ehrung des Champions-League-Siegers Ende Mai gehalten.

Doch ganz verstecken kann sich Angel Maria Villar nicht. Einer der mächtigsten und zwielichtigsten Hintermänner des Weltfußballs muss für einen Moment ins Rampenlicht. Eine seltene Gelegenheit, einen näheren Blick auf den Spanier zu werfen. Seit Jahrzehnten sitzt der 66-Jährige in den Führungsgremien der großen Verbände Fifa und Uefa, er kennt alle schmutzigen Geheimnisse, trotzdem ist Villar der Öffentlichkeit kein Begriff. Das ist in Zeiten großer Funktionärs-Skandale schon eine Leistung.

Bei der Pressekonferenz sind Nachfragen nicht erlaubt

Der Uefa-Vize führt derzeit den europäischen Fußballverband, aber ist ausdrücklich kein Interims-Präsident. Der Chefsessel ist offiziell vakant, seit Michel Platini im Mai zurückgetreten ist. Dass die Uefa ihren Ex-Chef trotz seiner weltweiten Sperre als Gast zum EM-Turnier einlud, zeigt, wie schwer sich Europas Verbände tun, mit Korruption abzurechnen. Das liegt auch daran, dass weiterhin Männer wie Villar den Ton angeben, die über ein sehr klassisches Verständnis des Wortes Loyalität verfügen. „Michel Platini kann stolz auf seine Europameisterschaft sein. Wir sind in Gedanken bei ihm“, sagte Villar, als er am Freitag eine EM-Bilanz zog. Dann verließ er die Pressekonferenz, ohne Nachfragen zuzulassen. Er habe Termine.

Transparenz? Lieber nur intern

Auch im September? Da wählt die Uefa einen neuen Präsidenten – und Villar soll durchaus ein Kandidat sein, ist nun zu hören. Doch wer ist der wichtigste Mann, den keiner kennt? Viele Mythen gibt es, wenig ist bewiesen.

Interviews gibt Villar fast nie und wenn doch, dann befreundeten Journalisten aus der Heimat – das liegt nicht nur daran, dass er nur Spanisch beherrscht und selbst das mit Aussprachefehlern. Das Wort „Futbol“ etwa klingt bei ihm wie „Furgol“. Kenner beschreiben ihn als extrem misstrauisch, aber auch emotional und hitzköpfig. Bei einem seltenen Auftritt sagte Villar kürzlich: „Die Öffentlichkeit sollte nicht alles wissen. Transparenz, ja. Aber nur intern.“

Ein Reformer, man ahnt es, ist er nicht.

Dabei war Villar durchaus mal so etwas wie ein Hoffnungsträger, vor langer Zeit. Als ehemaliger Nationalspieler und raubeiniger Verteidiger bei Athletic Bilbao hatte der studierte Jurist die Profigewerkschaft in Spanien mitgegründet. 1988 wurde der Baske dann zum Präsidenten des nationalen Fußballverbandes gewählt und seitdem sechsmal wieder. Das liegt daran, dass Villar in Spanien ein ähnliches System etablierte wie Joseph Blatter in der Fifa: Geld für die Regionalverbände gab’s als Gegenleistung für die Wiederwahl.

Fragwürdig lange Vertragslaufzeiten

Sportlich erlebte die Männer-Nationalmannschaft unter Villars Ägide mit dem WM-Gewinn 2010 und den EM-Titeln 2008 und 2012 die erfolgreichste Ära ihrer Geschichte. Um die Verbandsfinanzen steht es dagegen schlecht. Um ein Minus zu vermeiden, verlängerte Villar im Vorjahr den Vertrag mit Ausrüster Adidas und kassierte einen Millionenbonus. Die unnötig lange Laufzeit bis 2026 wird ihm in der Heimat jedoch als „unethisch“ ausgelegt. Viele Sponsoren sind dem Verband abgesprungen. Villar selbst geht es gut. Dem Mann, der früher „zur Miete wohnte und sich von Sandwiches ernährte“, wie Kenner sagen, besitzt heute viele Immobilien.

Hinzu kommen Spesen als Exekutivmitglied der großen Verbände. Seit 1998 gehört er zur Fifa-Spitze, bei der Uefa war er schon 1992 Vizepräsident. An seinen vielen Stühlen klebt er beharrlicher als Blatter. Anders als seinem alten Freund konnte Villar kein Skandal etwas anhaben. Nur im vergangenen November erhielt er eine Geldstrafe, weil er, ähnlich wie Franz Beckenbauer, zunächst nicht mit der Ethikkommission im Weltverband reden wollte. Als er es tat, murmelte Villar angeblich das Wort „gillipollas“. Dummerweise wusste der Ermittler, was das bedeutet. Eine unsittliche Wortwahl für den konservativen Katholiken mit bisweilen mystizistischen Tendenzen. Auch Blatter glaubte ja stets daran, dass Sündern einmal vergeben wird. Das hilft bei vielem.

Ein Sporttribunal ermittelt gegen ihn

Doch zuletzt wurde es eng für Villar. Sein Sohn Gorka Villar, Generalsekretär beim südamerikanischen Verband Conmebol, wurde wegen Erpressungsvorwürfen gesucht. Er hatte Vereinen in Uruguay mit einem Fifa-Bann gedroht, mit Verweis auf Papa. Und gegen Villar senior ermittelt in Spanien ein Sporttribunal wegen versickerter Gelder. Mittlerweile hat der Verbandspräsident mächtige Feinde im Sportministerium. Die Wiederwahl im April ließ er auf Juli verlegen, zuletzt war von November oder Dezember die Rede.

Die Uefa blendet brisante Fragen aus

Villar wartet ab. Und hofft, Uefa-Präsident zu werden, sagen einige. Ihn ins höhere Amt wegzuloben, könnte sowohl ihm als auch dem spanischen Verband helfen. Bis zum 20. Juli müssen Kandidaturen bei der Uefa eingereicht werden. Doch es gibt auch Experten, die sicher sind, Villar werde aufgrund geringer Erfolgsaussichten nicht antreten. Der Niederländer Michael van Praag und der Slowene Aleksander Ceferin sollen mehr Unterstützer haben. Ohnehin entspräche es Villar mehr, einen Strohmann als Präsidenten zu installieren. So könnten die Uefa-Urgesteine wie er, der Türke Senes Erzik oder der Zyprer Marios Lefkaritis, weiter im Hintergrund die Strippen ziehen. Trotz Sperre soll auch Platini noch viel Einfluss haben. Gemeinsam stellen die Hintermänner sicher, dass die Uefa brisante Fragen ausblendet, etwa wie die EM 2012 nach Polen und in die Ukraine kam. Immerhin hatte Platini bisher genug Anstand, seiner aufgeblähten Mammut-EM fernzubleiben. Der Franzose wird wohl auch am Sonntag fehlen.

Anders als Gianni Infantino, der seine Wahl zum Fifa-Präsidenten auch Villars Einfluss in Südamerika verdankt. Am Sonntag wird er bei der Siegerehrung, wie zuletzt in der Champions League, mit auf der Tribüne sitzen. Vielleicht lenkt ja die markante Glatze des Schweizers die Zuschauer von dem grauhaarigen Spanier neben sich ab. Angel Maria Villar Llona, dem Schattenmann, dürfte das recht sein.

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