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Ukraine: 13 Jahre umsonst gespielt

Das Chaos im EM-Land Ukraine wird immer bizarrer: Ein Gericht hat die oberste Fußballliga aufgelöst.

Kann es noch schlimmer kommen? Seit Monaten befindet sich der ukrainische Fußball in einer schwerwiegenden Krise. Die Zweifel des europäischen Fußballverbandes Uefa, dass das Land in der Lage ist, gemeinsam mit Polen die Europameisterschaft 2012 auszutragen, sind eher gewachsen als geschrumpft. Uefa-Chef Michel Platini brachte in der vergangenen Woche erstmals auch offiziell Deutschland als Ersatzausrichter ins Spiel. Und nun hat das Nationalgericht auch noch die höchste Spielklasse des ukrainischen Fußballs aufgelöst. Die Statuten für den Spielbetrieb entsprächen nicht dem ukrainischen Gesetz, urteilten die Richter in Kiew. Gleichzeitig wurden alle Ergebnisse seit dem Jahre 1996 annulliert und so 13 Jahre Fußballgeschichte der Ukraine einfach für null und nichtig erklärt.

Die Verantwortlichen des ukrainischen Fußballverbandes suchen in aller Eile eine Lösung, denn am kommenden Freitag sollte eigentlich die neue Saison angepfiffen werden. Allerdings ist mehr als fraglich, ob dieser Termin eingehalten werden kann. Für Witalij Danilow, Präsident der Ersten Liga, stellt sich inzwischen nicht nur die bange Frage, welche Mannschaften unter diesen Voraussetzungen in einigen Tagen gegeneinander spielen sollen. Die größte Sorge des Funktionärs zitierte der polnische Internetdienst „futbol.pl” treffend: „Was wird nun mit der Europameisterschaft?”

Das juristische Durcheinander ist ein neuer schwerer Rückschlag für die EM-Planungen. Seit der Vergabe des Turniers vor zwei Jahren droht die Uefa dem ukrainischen Verband, ihm die EM wieder zu entziehen. Zu groß ist das organisatorische Chaos, zu gering sind die Fortschritte. Unsicher ist, ob die Stadien fertig werden, mit Sicherheit fehlen werden Straßen, Flugplätze und Hotels. Bis zum Dezember wird der Ukraine von der Uefa Zeit gegeben, um eine angemessene Infrastruktur vorzuweisen. Gelingt das nicht, wird das Land das Turnier wieder verlieren. Zuletzt hat Uefa-Chef Michel Platini in der französischen Sportzeitung „L’Equipe“ erstmals direkte Worte gefunden: „Wenn wir nicht in der Ukraine spielen, dann müssen wir zwei andere Stadien finden. Wir werden sehen, wer sich präsentieren wird“, sagte Platini und brachte im nächsten Atemzug erneut Deutschland als möglichen Ausrichter neben Polen ins Gespräch. Auf die Frage, ob Leipzig und Berlin eine mögliche Alternative sein könnten, antwortete der Franzose: „Das ist eine Option.“ Wie berichtet, bereitet sich der Deutsche Fußball-Bund längst auf dieses Szenario vor – allerdings nur hinter den Kulissen. Öffentlich will sich der DFB nicht äußern.

Bald aber könnte das nötig sein. Denn in der Ukraine versinkt der Fußball mittlerweile im Chaos. In der obersten Spielklasse scheint ein bizarrer Machtkampf ausgebrochen zu sein. Nach Angaben von Roman Starozuk, Chef der ukrainischen Fußballliga, hatte der Klub aus Dnjepropetrowsk das Gericht angerufen und Klage wegen formaler Fehler in den Ligastatuten eingereicht. Dahinter stecke wohl der millionenschwere Besitzer des Vereins, erklärte Starozuk. Der Mann sei offensichtlich unzufrieden mit dem Ergebnis der kürzlich stattgefundenen Wahlen zum Liga-Präsidium.

Die Richter fanden aber nicht nur juristische Schwachstellen in den Statuten, die 1996 nach einer Reform der Liga verändert worden sind. Sie kritisierten auch die Besitzverhältnisse in der wichtigsten Spielklasse der Ukraine. So hätten zwar alle Klubs verschiedene Eigentümer. Tatsache aber sei, dass nur eine Handvoll Oligarchen das Geschehen in den meisten Vereinen kontrolliere – und damit nahezu den gesamten Fußball des Landes.

Knut Krohn[Warschau]

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