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Sport: Um ein Tor

Magdeburgs Handballer schlagen Flensburg 36:26 und ziehen trotzdem nichts ins Finale der Champions League ein

Magdeburg. Fast hätte es Julius Cäsar geschafft. Julius Cäsar saß auf der Tribüne der Magdeburger Bördelandhalle und hatte eine wichtige Aufgabe. Genau genommen war Julius Cäsar vom Arm eines Schornsteinfegers eingeklemmt. Das änderte aber nichts an seiner Aufgabe. Er sollte Glück bringen. Julius Cäsar, das kleine, rosige Schwein, sollte den Handballern des SC Magdeburg helfen, das fast Unmögliche perfekt zu machen: im Halbfinale der Champions League gegen die SG Flensburg-Handewitt mit elf Toren Vorsprung zu gewinnen. Aber dann fehlte den Gastgebern in der Bördelandhalle, wo 7800 Zuschauer für einen ohrenbetäubenden Lärm sorgten, gerade ein einziges Tor. 36:26 (19:13) gewannen die Magdeburger in einem hochdramatischen Spiel. Aber es reichte nicht. Flensburg-Handewitt hatte das Hinspiel 30:20 gewonnen, und damit hatten die Norddeutschen mehr Auswärtstore erzielt als die Magdeburger. Das war entscheidend. Und deshalb steht jetzt Flensburg-Handewitt in den Endspielen um die Champions League. Am 17. und 24. April trifft die Mannschaft auf den Slowenischen Meister Celje Pivovarna, der im Viertelfinale den TBV Lemgo gestoppt hatte.

Dass es noch einmal so dramatisch werden würde, war nicht zu erwarten. Wie hatte doch Alfred Gislason, Magdeburgs Trainer, gesagt: „Unsere Chancen stehen 10:90, höchstens.“ Diese zehn Prozent schöpften die Magdeburger auf imponierende Art aus. Beim 20:13 kurz nach der Pause hatten sie sieben Tore wettgemacht. „Da habe ich gespürt, dass meine Spieler Angst hatten“, sagte später der Flensburger Trainer Kent Harry Andersson, der da vielleicht auch an die 19:30-Heimniederlage beim Bundesligaspiel gegen den SC Magdeburg gedacht hatte. Als es acht Minuten später nur noch 21:20 stand, schien die Angst verflogen zu sein. „Für mich war da schon alles entschieden“, sagte Bundestrainer Heiner Brand.

Von wegen. Gislason hatte von der 6:0-Deckung auf 5:1 umgestellt, was die Flensburger vor schier unlösbare Probleme zu stellen schien. Beim 32:22 tobte die Halle, beim 35:25 eine Minute vor Schluss immer noch. „Jetzt geht’s los“, schrien die Fans. Und dann, rund 40 Sekunden vor Schluss, schien die Sensation perfekt. Magdeburg hatte das 36:25 erzielt. Die Mannschaft führte nun mit elf Toren Vorsprung, es hätte gereicht zum Finaleinzug. Flensburg-Handwitt aber traf Sekunden später, nun stand dieses Team wieder in den Endspielen. Doch noch war nichts entschieden. Noch waren ein paar Sekunden zu spielen. Und dann hatte Grzegorz Tkaczyk die große Chance für die Gastgeber. Er hätte alles entscheiden können – doch Tkaczyk warf vorbei. Ein Pfiff, Schluss, Ende einer dramatischen Partie.

Die Flensburger hakten sich unter und hüpften wie kleine Kinder im Kreis, die Magdeburger aber lagen auf dem Boden, grenzenlos enttäuscht, erschöpft, mit ihrer Kraft und ihren Nerven am Ende. Und auf den Zuschauertribünen kullerten Tränen. Der Schornsteinfeger mit dem Glücksschwein am Arm trug Trauer. „Das Verhältnis an Zeitstrafen und Siebenmetern zu unseren Ungunsten hat mir überhaupt nicht gefallen. Dennoch – ich bin unheimlich stolz auf meine Mannschaft“, sagte Magdeburgs Trainer Gislason.

Stolz sein konnte er vor allem auf Joel Abati. Der Franzose erzielte in Hin- und Rückspiel 20 Tore gegen die Flensburger – und konnte sich doch nicht so recht freuen. „Das hätten wir eigentlich noch packen können“, sagte der Linkshänder. Zufrieden mit sich konnte auch Stefan Kretzschmar sein. Im Hinspiel war er völlig außer Form gewesen, am Sonntag traf er siebenmal. Weniger glücklich waren die beiden Torhüter, der Magdeburger Johannes Bitter und der Flensburger Jan Holpert. In Flensburg waren sie noch Weltklasse, gestern nur Mittelmaß. Sie mussten jeweils dem Zweittorhüter Platz machen.

Die Magdeburger Fans konnten sich nach ihrer ersten Trauer mit der Statistik trösten: Schließlich hat ihre Mannschaft die Champions League schon vor zwei Jahren gewonnen. Dazu kommen zwei Siege im EHF-Pokal. Und vielleicht kann der SC noch im Bundesliga-Titelkampf oder im Final Four des DHB-Pokals Revanche an den Flensburgern nehmen. Julius Cäsar jedenfalls steht bereit.

Klaus Rocca

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