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Ratlos in Hamburg. Per Skjelbred (l.), Dennis Aogo (M.) und David Jarolim haben nach dem Spiel gegen Köln noch Gesprächsbedarf. Foto: dpa

© dpa

Sport: Umbruch ans Tabellenende

Die Diskussion um Torwart Drobny und Trainer Oenning überdeckt das strukturelle Problem des HSV

Eine Mannschaft ist eine Mannschaft ist eine Mannschaft und hat gefälligst zusammenzuhalten. Auch und gerade, wenn es nicht so läuft auf dem Fußballplatz, und beim Hamburger SV läuft zurzeit noch weniger als gar nichts. „Haben Sie ein Torwartproblem?“, ist der Hamburger Kapitän gefragt worden nach der 3:4-Niederlage gegen den 1. FC Köln und dem Sturz auf den letzten Tabellenplatz der Bundesliga. Heiko Westermann hat geantwortet: „Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen.“ Ins Realdeutsch übersetzt heißt das: Natürlich haben wir ein Torwartproblem, aber was sollen wir machen, wir haben ja keinen anderen.

Es war eigentlich ein gemütlicher Nachmittag für Jaroslav Drobny. Die Kölner hatten zwar wie der HSV zehn Feldspieler aufgeboten, aber diese hielten sich weitgehend in der eigenen Spielhälfte auf und legten wenig Wert auf Angriffsfußball im traditionellen Sinn. Nach Heiko Westermanns inoffizieller Statistik „haben die viermal auf unser Tor geschossen“. Dass dieser Aufwand für einen 4:3-Sieg reichte, spricht nicht für den Abwehrchef Westermann und noch weniger für den Torhüter Jaroslav Drobny. Bei den ersten beiden Toren machte der Tscheche sich so klein, wie es bei seinen 1,92 Meter gerade noch möglich ist. Beim späten 3:3 ließ er einen weder hart noch platziert geschossenen Ball passieren, und der noch spätere Kölner Siegtreffer wäre ohne seine überflüssige und präzise Faustabwehr auf Kevin McKenna schwerlich zustande gekommen.

Jaroslav Drobny war, wie schon beim 2:2 gegen seinen früheren Arbeitgeber Hertha BSC die tragische Figur. Aber niemand im Hamburger Volkspark hat den Torwart ausgepfiffen oder ausgelacht oder „Drobny raus!“ gebrüllt. Die Verantwortung für den tiefen Sturz des stolzen HSV Klubs delegierte das Volk allein an den Trainer Michael Oenning. Die Sprechchöre gegen ihn waren schwer zu überhören und auch von den musikalischen Einspielungen der Stadionregie nicht zu übertönen.

Der neue Hamburger Vorstandsvorsitzende Carl-Edgar Jarchow reagierte noch in den ersten Minuten nach dem Sturz ans Tabellenende und stellte Michael Oenning eine Jobgarantie aus. Weil er danach noch einen allgemein gehaltenen Satz einstreute, nach dem „ein Trainer mindestens bis zur Weihnachtspause Zeit haben sollte“, wurde das sogleich als Ultimatum für den Trainer interpretiert.

Dieser Reflex ist nicht neu, aber im Fall Oenning macht er noch weniger Sinn als sonst. Die Fehler vor allen Kölner Toren waren nicht systemimmanent, sie entsprangen individuellen Fehlleistungen. Drobny spielte dabei die herausragende Rolle, aber auch seine defensiven Adjutanten wie Heiko Westermann oder Dennis Aogo leisteten sich Fehler, wie sie Nationalspielern nicht passieren dürfen. 14 Gegentore in vier Spielen sagen genug über die Qualität des verteidigenden Personals. Oenning, schwer gezeichnet von „diesem schweren Nackenschlag“, reduzierte seine Analyse auf die positiven Aspekte dieser dritten Saisonniederlage: „Wir können jetzt Trübsal blasen, wir können aber auch sagen: Das war der erste Schritt in die richtige Richtung." Und was den Sturz ans Tabellenende betrifft: „Wir sollten uns davon lösen, zu sehr auf den 18. Platz zu gucken. Leider hat sich diese sehr junge Mannschaft nicht belohnt für den hohen Aufwand.“

Der Aufwand war hoch, aber die Mittel zur Umsetzung sind bescheiden. Der runderneuerte HSV verfügt nicht über das strategische und kreative Potenzial seiner Vorgänger. Die Spielgestaltung etwa liegt in den Füßen von Per Skjelbred, einem technisch nicht untalentierten Norweger, der aber vor allem mit sich selbst zu tun hat und von seinen Kollegen kaum einbezogen wird. Die meisten Ballkontakte im Spiel gegen Köln hatte David Jarolim, von dem bekannt ist, dass seine Stärken im Rennen, Grätschen und Meckern liegen. Vorstandschef Jarchow kündigte denn auch gleich den Kauf eines offensiven Mittelfeldspielers an. Weil aber kein Geld zur Verfügung steht, müsste schon der letzte Rest der alten sportlichen Substanz verkauft werden. Mladen Petric vielleicht oder Eljero Elia, für den sich angeblich Juventus Turin und der FC Arsenal interessieren.

Das fügt sich in den Umbruch der vergangenen Wochen, in denen der Hamburger SV viel teure Routine von der Gehaltsliste strich und in hoher Stückzahl Spieler für wenig Geld verpflichtete. Der Umbruch ist in Hamburg systemstiftendes Element und entkräftet den Vorwurf an den Trainer, er habe der Mannschaft nach gerade vier Bundesligaspielen noch keine passende Spielphilosophie vermittelt. Nicht Michael Oenning verantwortet diesen Umbruch, sondern der Sportdirektor Frank Arnesen, und der auch nur, was die personelle Ausgestaltung angeht. Zu lange hat der HSV unter der alten Geschäftsführung mit Katja Kraus und Bernd Hoffmann über seine Verhältnisse gelebt, jetzt muss er sich mit bescheidenen finanziellen Möglichkeiten neu erfinden.

Jaroslav Drobny hat das alles schon einmal erlebt, in seinem letzten Jahr bei Hertha BSC. Es endete dort, wo jetzt der HSV steht. Auf Platz 18.

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