zum Hauptinhalt
Tatsächlich aber hatten sich rund 1000 Eintracht-Fans Karten für das Spiel beschafft und stürmten in der ersten Halbzeit den leeren Gästeblock.

© dapd

Umgang mit Fans: Der ratlose DFB

Die Suche nach Lösungen für den Umgang mit einzelnen Fangruppen fällt dem DFB schwer. Und die nutzen die Ratlosigkeit aus, um den Verband regelrecht vorzuführen - wie zuletzt an der Alten Försterei.

Geschäftig ging es am Mittwoch in der Zentrale des Deutschen Fußball Bund (DFB) in Frankfurt am Main zu. So geschäftig, dass niemand etwas sagen wollte. Oder nichts sagen konnte. Ralf Köttker, der Mediendirektor des DFB, verwies nur auf ein Statement vom Vortag. „Wir haben am Dienstag über die Agenturen Stellung bezogen, an den Inhalten hat sich nichts geändert“, sagte Köttker auf Nachfrage des Tagesspiegels. Mitglieder des Kontrollausschusses wollten sich ebenfalls nicht äußern und verwiesen auf den DFB.

Der größte Sportverband der Welt hatte da indirekt erklärt, momentan keine Lösung für die Probleme mit bestimmten Fangruppen zu haben. Nachdem beim Zweitligaspiel zwischen dem 1. FC Union und Eintracht Frankfurt Fans der Hessen trotz Verbots im Stadion An der Alten Försterei zugegen waren, verkündete DFB-Vizepräsident Rainer Koch, „dass die Schließung des Gästeblocks als Strafe so nicht mehr beantragt werden wird“. Oder einfacher ausgedrückt: Der Verband musste einsehen, dass der aktuelle Strafenkatalog nicht wirksam, weil nicht umsetzbar ist.

Schlimmer noch, der DFB wurde in den vergangenen Monaten durch Fans und Vereine teilweise vorgeführt. In Rostock verkaufte der FC Hansa vor dem Spiel gegen Dynamo Dresden „virtuelle Tickets“, um den finanziellen Schaden zu minimieren. Wegen wiederholter Ausschreitungen der eigenen Fans wurde Hansa zu einem Spiel vor leeren Rängen verurteilt, die Einbußen, die die Strafe beabsichtigte, reduzierte der Klub auf diese Weise geschickt.

Bilder vom Geisterspiel in Dresden am 11. März 2012:

Die Dresdner wiederum vermeldeten ein ausverkauftes "Geisterspiel" gegen den FC Ingolstadt. Im Stadion durfte wegen der Krawalle von Dortmund kein Zuschauer sein. Der ursprünglich verhängte Ausschluss aus dem DFB-Pokal war zurückgenommen worden, der Verband wollte Dresden dennoch zumindest finanziell treffen - mit dem beschriebenen Ergebnis.

Das Feindbild DFB wird zelebriert

Vor dem Frankfurt-Spiel erwarben Fans des 1. FC Union Karten und gaben sie an die Gegenseite weiter – aus Solidarität. Der DFB ist nicht erst kürzlich zum Feindbild vieler Fans geworden. In der Alten Försterei wurde mit Plakaten und Sprechchören gegen den Verband mobil gemacht, viele Anhänger fühlten sich durch das bisherige Strafensystem ungerecht behandelt.

„Das Feindbild DFB wurde über 90 Minuten zelebriert“, sagte Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte dem Tagesspiegel: „Die Grenzen der Sportgerichtsbarkeit des DFB wurden deutlich.“ Es sei der Undifferenziertheit der Strafen des DFB geschuldet, dass die „selbstkritischen Diskussionen“ innerhalb der Fangruppierungen verstummt und dem gemeinsamen Feindbild untergeordnet würden. „Es gibt in der Fanszene nicht nur eine Meinung, wie sich Fankultur äußert“, sagte Gabriel.

Die Fan-Aktion an der Alten Försterei in Bildern:

Koch kündigte zwar Lösungen an, konkret wurde aber seitens des DFB bislang niemand. Diese Lösungen müssen, sagt Gabriel, auch von den Vereinen mit gefunden werden. „Die Wahrscheinlichkeit, dass der DFB als moralische Instanz wahrgenommen wird, ist sehr gering. Wenn Vereine sich ihren Fans stetig und ernstgemeint zuwenden, ist dies aber möglich“, sagt der Fanexperte. Die Klubs seien besser in der Lage, mit ihren Fans zu diskutieren, einen Dialog zu suchen und „nicht aus der Verantwortung entlassen, die eigenen Fans zu sanktionieren“, sagt Gabriel.

Eintracht Frankfurt hielt sich zu den Vorfällen An der alten Försterei bislang bemerkenswert bedeckt. Präsident Heribert Bruchhagen forderte zwar kluge Lösungen, musste aber zugeben: „Ich selbst habe sie auch nicht.“ Bruchhagen ist nicht der einzige, der in dieser Angelegenheit ratlos ist. Zumal bei einigen Beteiligten die eigene Wahrnehmung scheinbar getrübt ist. Die Fanbetreuung der Hessen veröffentlichte am Mittwoch eine Mitteilung, in der das Verhalten der eigenen Fans als „friedlich und völlig gewaltfrei“ gelobt wurde.

Erstligist Hannover 96 scheint da konsequenter zu sein. Präsident Kind kündigte in der Tageszeitung „Die Welt“ an, einen Strafenkatalog für die eigenen Fans einzuführen. So werden Geldstrafen für das Fehlverhalten des eigenen Anhangs künftig höhere Ticketpreise nach sich ziehen. Das nimmt zumindest ein wenig die Last vom Feindbild DFB.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false